China: Ein Mao für 24 Millionen Euro

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Das KP-Reich feierte den 120. Geburtstag des Revolutionsführers und grausamen Diktators Mao Tsetung. Von Maos einst propagierter Bescheidenheit ist bei den Festen keine Spur.

Peking. Während des Langen Marsches hatte Mao Tsetung noch Bescheidenheit gepredigt und das einfache Leben auf dem Land gepriesen. Nun sitzt er auf rotem Samtkissen gebettet auf einem zwei Meter hohen Sockel als Statue aus purem Gold in einem eigens eingerichteten Mao-Museum in seinem Heimatdorf Shaoshan. 200 Millionen Yuan sei die Mao-Statue wert, sagt die Fremdenführerin stolz, rund 24 Millionen Euro. Ob sich der echte Mao nicht im Grab umdrehen würde? Sie versteht die Frage nicht. Wieso, fragt sie: „Es ist doch eine Ehre, in Gold gegossen zu werden.“

Die vor einigen Tagen enthüllte Mao-Statue aus Gold ist nur eines von vielen Highlights anlässlich des 120. Geburtstages des vor 37 Jahren verstorbenen Revolutionsführers. Im ganzen Land fanden am Mittwoch ihm zu Ehren Kranzniederlegungen statt. Es wurden Symposien und Konzerte abgehalten. Über die Fernsehbildschirme flimmerten Sondersendungen. Schon seit Wochen läuft im chinesischen Staatsfernsehen eine 30-teilige Serie über das Leben des „großen Steuermanns“. In zahlreichen Pekinger Theatern werden Stücke in Anlehnung an ihn aufgeführt. Die „Volkszeitung“, das offizielle Parteiorgan der unumschränkt herrschenden Kommunistischen Partei, huldigte ihm in einem Leitartikel: „Seit der Moderne ist er Chinas großer Patriot und Nationalheld. Ohne ihn hätte das chinesische Volk noch sehr viel länger in einer finsteren Zeit verbracht.“ So viel Mao-Huldigungen hat es auch für chinesische Verhältnisse schon lange nicht mehr gegeben.

30 Millionen Hungertote

Dabei ist sein Konterfei mit jeder Menge Geldscheine verziert und schmückt das berühmte Tor des Himmlischen Friedens, den Eingang zum Kaiserpalast inmitten von Peking. Vor allem die Bauern auf dem Land feiern ihn weiterhin als Helden, da er als Gründer der Volksrepublik einst die Großgrundbesitzer enteignet und ihnen das Ackerland zugeteilt hat. Er habe der chinesischen Nation Stolz und Ehre zurückgegeben.

Kampagnen wie der „Große Sprung nach vorn“ mit wahrscheinlich 30 Millionen Hungertoten und später die Kulturrevolution mit Zehntausenden von Massenverhaftungen und Folterungen in Arbeitslagern bleiben unerwähnt. Offiziell gilt bis heute die kurz nach seinem Tod definierte Endabrechnung, Maos Wirken sei „zu 70 Prozent positiv und 30 Prozent negativ“ gewesen.

Seit einiger Zeit findet Mao aber auch bei der städtischen Jugend wieder vermehrt Zuspruch. In einem Schallplattengeschäft in einem Pekinger Szeneviertel steht Mao auf dem Hausaltar neben einer dickbäuchigen Buddhafigur. Taxifahrer haben Mao-Anhänger im Wagen baumeln – als eine Art Schutzengel, der Unglück abwenden soll. Chinesische Künstler stellen Mao verkaufsträchtig als Popstar dar – ob aus Ironie oder Verehrung ist nicht ganz ersichtlich.

Vater des Präsidenten verfolgt

Dem neuen Hype um Mao will auch Chinas amtierender Staatspräsident, Xi Jinping, in nichts nachstehen. Sein eigener Vater – anfangs noch Weggefährte von Mao – wurde während der Kulturrevolution selbst Opfer des grausamen Diktators und musste seinetwegen viele Jahre lang in einem Arbeitslager verbringen. Dennoch verbeugte sich Xi am Donnerstag feierlich dreimal vor einer Mao-Statue und trat anschließend an den gläsernen Sarkophag im Mausoleum auf dem Tian'anmen-Platz, in dem Maos einbalsamierte Leiche aufbewahrt ist. Die Führung habe „gemeinsam die großartigen Leistungen des Genossen Mao Tsetung in Erinnerung gerufen“, schreibt die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua stolz. Dabei hatte Xi Jinping vorher selbst noch dazu aufgerufen, die Mao-Geburtstagsfeiern „feierlich, schlicht und pragmatisch“ zu halten. Von dieser Bescheidenheit war am Donnerstag nicht viel zu spüren.

Partei braucht Mao dringend

Der chinesische Historiker Zhang Lifang glaubt, dass eine kritische Neubewertung von Mao an der Legitimität der Führung und damit an der Machtstellung der Kommunistischen Partei insgesamt rütteln würde. 37 Jahre nach seinem Tod spalte sich das Land immer stärker in Arm und Reich, Korruption und Machtmissbrauch seien in der KP weit verbreitet. Die Partei brauche Mao mehr denn je, so Zhang, um sich überhaupt noch an jemandem zu orientieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2013)

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