Ägypten: Muslimbrüder zu Terroristen erklärt

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Die Regierung setzt einen beispiellosen Schritt gegen die Islamisten-Bewegung : Mitgliedern drohen ab sofort fünf Jahre Haft - wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation.

Kairo. Das Operieren aus dem Untergrund ist für die Islamisten kein Neuland: Die Muslimbruderschaft war jahrzehntelang verboten. Doch der jüngste Schritt ist in der ägyptischen Geschichte beispiellos: Am Mittwoch wurde die Muslimbruderschaft offiziell als Terrororganisation eingestuft.

Die Regierung in Kairo hat damit ihren Aktionsradius gegen die Organisation noch einmal drastisch erweitert: Teilnehmern an den Massenprotesten der bereits seit September gerichtlich verbotenen Islamisten-Bewegung drohen künftig bis zu fünf Jahre Haft, wie Hani Abdel Latif, ein Sprecher des Innenministers, erklärte. Fünf Jahre, das ist die Höchststrafe, die auf die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung steht. „Die Anführer der Organisation können mit dem Tod bestraft werden“, ergänzte der Sprecher.

Das neue Gesetz erlaubt es dem Regime zudem, nicht nur Mitglieder, sondern auch Unterstützer der Bruderschaft strafrechtlich zu verfolgen. Zudem könnten Studentenproteste gegen den Sturz und die Inhaftierung von Ex-Präsident Mohammed Mursi – er stammt aus der Muslimbruderschaft – künftig als Terrorakte eingestuft werden.

„Protest geht weiter“

Schon am Donnerstag schritten die Behörden zur Tat: Aus Alexandria und der Provinz Sharkiya wurden die ersten Verhaftungen von Muslimbrüdern wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation gemeldet.

Die Muslimbruderschaft erklärte das Verbot für ungültig. Ihr Protest werde selbstverständlich weitergehen, sagte Ibrahim Munir, ehemaliges Mitglied des Exekutivrats, im Londoner Exil.

Offizieller Auslöser der jüngsten Eskalation im Machtkampf zwischen Muslimbrüdern und der vom Militär eingesetzten Regierung war ein Anschlag auf die Polizeizentrale im nordägyptischen al-Mansur: Bei der Explosion einer Autobombe starben am Dienstag 16 Menschen, darunter 14 Polizisten. Es gab 140 Verletzte. Die Regierung machte die Muslimbruderschaft für das Blutbad verantwortlich.

Tags darauf begründete Vizepremier Hossam Eissa die Einstufung der Muslimbrüder als Terrororganisation mit dem Anschlag, obwohl sich die auf dem Sinai wütende, al-Qaida-nahe Ansar Bait al-Makdis bereits dazu bekannt hatte. Beweise für die Verwicklung der Muslimbruderschaft legte das Regime bisher nicht vor. Innenminister Mohamed Ibrahim erklärte bereits am Dienstag, der Anschlag sei ein Versuch, die Ägypter vor dem Referendum zu terrorisieren.

Am 14. und 15. Jänner wird über eine neue Verfassung abgestimmt. Dem Militär ist an einem reibungslosen Ablauf gelegen; Analysten sehen darin auch den Grund für das härtere Vorgehen gegen Gegner der Regierung und der Verfassung. Bereits am Sonntag wurden drei Revolutionsaktivisten der säkularen Jugendbewegung 6. April auf Basis eines verschärften Versammlungsgesetzes zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

Ex-Premier festgenommen

Zwei Tage später klickten für den Muslimbruder Hisham Kandil die Handschellen. Der Ex-Regierungschef habe sich mithilfe eines Schleppers in den Sudan absetzen wollen, teilten die Behörden mit. Kandil war noch zu Amtszeiten im April zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden, weil er ein Gerichtsurteil gegen die jahrzehntealte Privatisierung eines Staatsunternehmens nicht umgesetzt hatte. Im September, zwei Monate nach Mursis Sturz durch die Armee, bestätigte ein Berufungsgericht das Urteil. Im Gegensatz zu Mursi und nahezu der gesamten Führung der Muslimbrüder blieb Kandil aber auf freiem Fuß – bis Dienstag. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2013)

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