Der kürzlich aus der Haft entlassene russische Kreml-Kritiker kann sich drei Monate lang im Schengen-Raum aufhalten.
Die Karriere des Michael Chodorkowski war kometenhaft, der Fall tief, als sich der Oppositionelle mit Wladimir Putin anlegte. Ein Porträt. (c) REUTERS (ALEXANDER NATRUSKIN) Bereits in jungen Jahren bringt es Chodorkowski zu einem beträchtlichen Vermögen. Seine Zeit in der kommunistischen Jugendbewegung Komsomol ist schnell vergessen, als der Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 90er Jahre völlig neue Chancen eröffnet. Chodorkowski zählt zu jener Handvoll Männer, denen es gelingt, das Chaos zu Geld zu machen. (c) � Mike Theiler / Reuters Zwar scheitert er mit seinem ersten unternehmerischen Versuch, einem Café. Ein Vermögen macht er dann aber mit dem Import von Computern, und im Alter von 26 Jahren gründet der Jungunternehmer die Bank Menatep, dem späteren Hauptanteilseigner von Yukos.Archivbild Chodorkowski Im staatlichen Ölsektor wittert Chodorkowski seine Chance. Bei einer dubiosen Privatisierung, bei der Insider Teile von Russlands Schlüsselindustrien zu Schleuderpreisen ersteigern, bekommt er die Kontrolle über Yukos. Angeblich zahlen Chodorkowski und seine Mitstreiter auf der von der Menatep organisierten Auktion 390 Millionen Dollar für das Unternehmen, das vor Chodorkowskis Festnahme einen Börsenwert von mehr als 30 Milliarden Dollar hatte. Der Mann mit der sanften Stimme und den kurz geschorenen Haaren führt eine aggressive Unternehmenspolitik. Erfolgreich drängt er ausländische Minderheitsaktionäre beiseite.Chodorkowski (ganz rechts) bei einem Empfang mit Boris Jelzin. (c) REUTERS (� Reuters Photographer / Reuters) Nach der Finanzkrise 1998 investiert Chodorkowski massiv in seinen Ölkonzern und macht ihn zu einem "Vorzeigekind der Post-Reform-Ära in Russland", wie es ein Analyst formuliert. Als erstes wichtiges Unternehmen in Russland verwendet Yukos internationale Buchhaltungsstandards und wirbt im Westen ausgebildete Manager an. Yukos gilt bis zu Chodorkowskis Festnahme als die transparenteste russische Firma. Nach der Fusion mit dem russischen Konzern Sibneft kontrolliert Chodorkowski den weltweit viertgrößten Öl- und Gas-Produzenten. Neben seinem wirtschaftlichen weitet der Oligarch auch seinen politischen Einfluss aus. Seine Stiftung "Offenes Russland" gibt jährlich 100 Millionen Dollar für Organisationen aus, die sich für die Entwicklung der Zivilgesellschaft einsetzen. Nach Ansicht von Beobachtern wird Chodorkowski, nunmehr reichster Mann Russlands, sein Ehrgeiz zum Verhängnis: Er strebt den Bau einer privaten Ölpipeline an und dringt damit in ein staatliches Monopol ein. Er finanziert Oppositionspolitiker, die es ins Parlament schaffen und seine Anliegen unterstützen. Und er strebt selbst den Gang in die Politik an. (c) EPA (SERGEI ILNITSKY) Mit der Finanzierung von Oppositionsparteien verstößt Chodorkowski gegen eine Abmachung, die Russlands Präsident Wladimir Putin bei seinem Amtsantritt 2000 mit den Oligarchen schloss: Ihr könnt eure Reichtümer behalten, wenn ihr euch aus der Politik heraushaltet. Wer gegen die Regel verstößt, wird ins Ausland gedrängt - oder, wie im Falle Chodorkowskis, festgenommen. (c) EPA (Sergei Ilnitsky) Bei einem Tankstopp seines Flugzeugs in Sibirien am 25. Oktober 2003 endet die steile Karriere des jungen Yukos-Chefs. Das Herzstück seiner Firma, die Produktionstochter Yuganskneftegas, fällt nach einer dubiosen Zwangsversteigerung im Dezember 2004 an die staatliche Firma Rosneft. International löst der Fall Kritik aus; im Westen werden Vorwürfe eines politischen Verfahrens laut.Bild: Erster Prozess: Gemeinsam mit seinem früheren Geschäftspartner Platon Lebedew vor Gericht Im März 2009 beginnt ein zweiter Prozess gegen Chodorkowski. Dieser gilt als besonders absurd, wird ihm doch der Diebstahl und Weiterverkauf von 218 Mio. Tonnen Öl vorgeworfen. Das Moskauer Chamowniki-Gericht spricht ihn im Dezember 2010 schuldig. Er wird zu sechs weiteren Jahren Haft verurteilt. Es hagelt internationale Kritik. Bild: Zweiter Prozess: Chodorkowski wegen Öl-Diebstahls vor Gericht. Ende Mai 2011 stellt Chodorkowski einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung mit der Begründung, er hätte mehr als die Hälfte der Haftstrafe verbüßt. Dieser Antrag wurde als formell unzureichend abgelehnt, worauf der Inhaftierte einen zweiten einreicht. Noch bevor darüber entschieden wird, wird Chodorkowski ins Straflager Nummer 7 im Kreis Segescha in der russischen Teilrepublik Karelien verlegt. (c) REUTERS (� Reuters Photographer / Reuters) Aufgrund eines neuen Gesetzes verringert ein Moskauer Bezirksgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft Ende 2012 die Haftstrafe für Chodorkowski um zwei Jahre. Die Haftentlassung ist für August 2014 vorgesehen. Und dann kommt Putins Begnadigung: Michael Chodorkowski wird am 20. Dezember 2013 aus der Haft entlassen. (c) REUTERS (DENIS SINYAKOV) Der Fall des reichsten Russen Die Schweiz hat das Gesuch des russischen Kreml-Kritikers Michail Chodorkowski um ein Visum bewilligt. Das Visum ermöglicht einen Aufenthalt im Schengen-Raum während dreier Monate. Dies teilte am Montag die Schweizer Botschaft in Berlin mit. Aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes würden keine weiteren Angaben gemacht, hieß es in einer knappen Medienmitteilung. Ein Teil seines Vermögens des ehemaligen Öl-Milliardärs liegt Medienberichten zufolge auf auf Schweizer Konten.
Der scharfe Gegner von Wladimir Putin war von 2003 bis Dezember 2013 wegen Betrugs und Steuerhinterziehung in Haft. Chodorkowski hatte überraschend ein Gnadengesuch gestellt - offenbar unter Druck der Geheimdienste. Vor Weihnachten reiste er in die deutsche Haupstadt. Nach Russland will Chodorkowski nicht zurückkehren: In seiner Heimat droht ihm nach eigenen Angaben eine millionenschwere Zivilklage. Die Gerichtsverfahren gegen ihn waren vom Westen als politisch motiviert kritisiert worden. Noch immer sind ehemalige Geschäftspartner Chodorkowskis in Russland inhaftiert.
Chodorkowski sagt, er wolle sich nicht an Putin rächen oder in die Politik gehen, sich allerdings für politische Gefangene in Russland einsetzen.
(APA/sda/Red.)
Lesen Sie mehr zu diesen Themen: