Auto: Fiat verschafft sich Zugriff auf Chrysler-Schatz

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Durch die Übernahme des US-Autoherstellers wollen die Italiener die Kräfte der beiden Firmen bündeln und Modelle sowie Werke modernisieren. Entscheidend sind dabei die Barreserven der Amerikaner in Höhe von zwölf Mrd. Dollar.

Wien. Autohersteller, die weniger als fünf Millionen Fahrzeuge pro Jahr produzieren, hätten keine Chance, den globalen Verdrängungswettbewerb in der Branche zu überleben. Diese Aussage tätigte Fiat-Chef Sergio Marchionne im Jahr 2009. Fiat selbst lag mit einer Jahresproduktion von knapp 2,7 Mio. Autos damals noch deutlich unter diesem Wert. Fünf Jahre später hat es Marchionne jedoch fast geschafft. Wie der italienische Konzern am Abend des Neujahrstages bekannt gab, wird Fiat den US-Hersteller Chrysler komplett übernehmen („Die Presse“ berichtete in einem Teil der Donnerstag-Ausgabe). Zusammen werden die beiden Konzerne künftig etwa 4,5 Mio. Autos pro Jahr herstellen.

Fiat wird damit nicht nur zum siebentgrößten Autohersteller der Welt (nach Toyota, GM, VW, Hyundai, Ford und Nissan). Die in Europa zuletzt arg gebeutelten Italiener haben auch eine reelle Chance, sich für den globalen Wettkampf neu aufzustellen. So kündigte Marchionne bereits im Dezember an, neun Mrd. Euro in die Modernisierung der nur schwach ausgelasteten italienischen Fabriken zu stecken. Dort sollen neben Kleinwagen für den südeuropäischen Markt zukünftig vermehrt auch Jeeps (Jeep ist eine Tochter von Chrysler) sowie Limousinen der eigenen sportlichen Tochter Alfa Romeo für den Export nach Asien produziert werden. Bei der Finanzierung dieser Maßnahme dürfte der hoch verschuldete Fiat-Konzern es nicht zuletzt auch auf die Barreserven von Chrysler abgesehen haben. Denn auf den Konten der Amerikaner schlummern rund zwölf Mrd. Dollar (8,8 Mrd. Euro).

Ohne Chrysler in den roten Zahlen

Schon bisher war Chrysler für Fiat eine wichtige Geldquelle. So erzielte Fiat dank der Erträge der Chrysler-Beteiligung im Jahr 2012 einen Gewinn von 1,4 Mrd. Euro – ohne die Amerikaner wäre es ein Verlust von einer Mrd. Euro gewesen. Es ist dies der Lohn für die Hilfe in der schwersten Stunde von Chrysler. Denn im Jahr 2009 stand der US-Konzern mit dem Rücken zur Wand und wurde vom amerikanischen Staat aufgefangen. Damals musste Chrysler pro Tag einen Verlust von 100 Mio. Dollar hinnehmen. Dennoch investierte Fiat einen Milliardenbetrag, um die Beteiligung sukzessive auf zuletzt 58,5 Prozent zu steigern. Was aber noch wichtiger war: Fiat lieferte Management-Kapazitäten und Technologien, um das Produktportfolio bei Chrysler zu erneuern. Eine Wette, die schlussendlich aufging.

Doch während sich das Geschäft in den USA im Lauf der vergangenen Jahre stetig verbesserte, schlitterte Südeuropa – und somit der wichtigste Absatzmarkt von Fiat – in die Eurokrise, wodurch die Absätze bei den Italienern selbst einbrachen. Diese Entwicklung soll durch die Erschließung neuer Märkte als global aufgestellter Konzern nun wieder umgedreht werden.

Dazu musste Chrysler zuvor jedoch vollständig übernommen werden. Schon im Sommer 2013 schickte sich Fiat an, der gewerkschaftsnahen Stiftung, von der die verbliebenen 41,5 Prozent an Chrysler gehalten wurden, ihr Aktienpaket abzukaufen. Anfangs wurde dieses Ansinnen noch abgelehnt, rund um den Jahreswechsel wurde man sich jedoch einig. Mit 4,35 Mrd. Dollar zahlt Fiat auch deutlich weniger als jene fünf Mrd. Dollar, die von Analysten als Kaufpreis für den bereits erwarteten Deal angenommen wurden. Zudem zahlt einen Großteil des Kaufpreises bereits Chrysler. Von Fiat stammen nur 1,75 Mrd. Dollar – den Rest stemmt die US-Tochter.

Kein Wunder also, dass Italien und die Börse in Mailand am Donnerstag über den Abschluss jubelten. „Fiat hätte es nicht besser machen können“, so die Analysten mehrerer italienischer Banken unisono. Die Aktien legten zeitweise um 16 Prozent auf den höchsten Stand seit dem Sommer 2011 zu. Befeuert wurde die Freude der Börsianer durch den Umstand, dass der Kauf nun komplett ohne Kapitalerhöhung möglich wurde. Dies führt jedoch auch zu Warnungen: So sei Fiat mit einer Nettoverschuldung von zehn Mrd. Euro nun der am höchsten verschuldete Autohersteller der Welt, warnte die Citigroup. Die Analysten haben Sorgen, dass dieser hohe Schuldenstand die nachträgliche Genesung des nun globalen Autokonzerns behindern könnte. (ag./jaz)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2014)

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