Diethart gewinnt Vierschanzentournee

VIERSCHANZENTOURNEE 2014 BISCHOFSHOFEN - QUALIFIKATION: DIETHART (AUT)
VIERSCHANZENTOURNEE 2014 BISCHOFSHOFEN - QUALIFIKATION: DIETHART (AUT)APA/GEORG HOCHMUTH
  • Drucken

Thomas Diethart triumphiert nach dem Sieg beim abschließenden Springen in Bischofshofen auch in der Gesamtwertung. Thomas Morgestern wird Zweiter.

Bischofshofen. Ein Niederösterreicher gewinnt die Vierschanzentournee. Was auf den ersten Blick paradox anmutet, wurde am Dreikönigstag in Bischofshofen Wirklichkeit. Der 21-jährige Thomas Diethart aus dem knapp 3000 Einwohner zählenden Michelhausen im Tullnerfeld setzte sich beim Tourneefinale mit Sprüngen auf 138,5 und 140 Meter souverän durch und fixierte als erster Niederösterreicher den sechsten österreichischen Sieg in Serie. Er sagt: „Für mich ist es ein Traum, wie in einem Märchen.“

Der Überraschungssieger gewann in Bischofshofen vor Peter Prevc (SLO) und Thomas Morgenstern (137/142 m).
Thomas Diethart war mit kraftvollen Sprüngen und seiner Unbekümmertheit ins Blickfeld gesprungen. Der gelernte Industriekaufmann, dessen Familie in Eigenregie die Karriere des Sohnes erst ermöglichte, sorgte für einen neuen, angenehm frischen Wind im ÖSV-Adlerhorst.
Der Springer, dessen Flugroute über den SC Ober St. Veit und den SC Hinzenbach in die Wiege des ÖSV führte, genoss mit seiner Familie, die erneut im Schanzenauslauf mitfieberte, den Rummel. Mit dem Erfolg wuchs schlagartig seine Bekanntheit, zuvor hatte er sich nur in der zweiten Trainingsgruppe und im Continentalcup seine Sporen verdient. Seine Unbeschwertheit („Ich denke einfach nicht nach.“) hat er nicht verloren. Während andere vor ihrem Sprung nervös wurden, entspannte er bei einem lockeren Fußballkick.

„Keimzelle“ Niederösterreich

Mit dem Tourneesieg wurde der „Mann, den keiner kannte“ zum Senkrechtstarter. Dass er erst vergangenen Dezember als Ersatzmann in Engelberg in die Weltcupspitze gesprungen war, geriet beinahe in Vergessenheit. Diethart ist der fünfte Debütant nach Toni Nieminen (1992, FIN), Andreas Goldberger (1993), Primosz Peterka (1997, SLO) und Anders Jacobsen (2007, NOR), der die Tournee auf Anhieb gewinnen konnte.

Der Erfolg der „Wettkampfsau“, wie er von seinen Kollegen liebevoll gerufen wird, ist aber kein Einzelfall, wenn es im Wintersport um Sieger aus Niederösterreich geht. Kathrin Zettel wurde 2009 Weltmeisterin in der Kombination. Thomas Sykora ist zweifacher Slalom-Weltcupsieger, gewann Olympia-Bronze in Nagano 1998. Michaela Dorfmeister gewann zweimal Olympia- und WM-Gold, Snowboarder Benjamin Karl ist dreifacher Gesamtweltcupsieger und viermaliger Weltmeister.

Langläufer Johannes Dürr ließ mit dem dritten Platz bei der Tour de Ski aufhorchen, dahinter drängen zig weitere Sportler aus diversen Disziplinen nach. Ganz zu schweigen, dass mit dem Herbert Mandl elf Jahre lang ein Scheibbser Cheftrainer der ÖSV-Damen war.
Keimzellen dieses Erfolges sind die jeweiligen Skiklubs oder Sporthauptschulen, die gesondert Talente entdecken, fördern und ausbilden, solange bis sie sich für höhere Aufgaben empfehlen und Aufnahme finden; entweder direkt im ÖSV oder der Sportschule in Stams. Unerlässlich ist, trotz aller Sportförderungen, die Unterstützung der Eltern. Im Fall von Thomas Diethart könnte sein Vater Bände füllen mit Geschichten über Bittgesuche bei Ausrüstern, Sponsoren und Klubs.

Es blieb beim hartnäckigen Individualismus: Kredit, zweimal pro Woche pendeln zwischen Michelhausen und Hinzenbach (200 Kilometer), Übernachtungen im Auto und die ewige Ungewissheit, ob das unstillbare Verlangen des „Springinkerls“, seine Leidenschaft irgendwann auch als Profisportler ausleben zu können, nicht im ernüchternden Albtraum enden würde. In Erinnerung blieben zwei Zahlen: 50.000 Kilometer, die sie gemeinsam im Auto pro Jahr abgespult haben und knapp 100.000 Euro, die sie in die Zukunft des Sohnes investierten.

Mittlerweile ist Diethart Heeressportler, mit Kopfsponsor und Weltcupprämien entlohnt, gilt nach zwei Siegen als Fixstarter im Adler-Team. „Ich bin überglücklich“, sagt sein Vater Gernot. „Mein Sohn hat für diesen Sport seine Kindheit geopfert. Er wollte nie etwas anderes machen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Wintersport

Dietharts plötzlicher Ruhm: „Was war da los?“

Thomas Diethart muss den Tourneesieg erst realisieren und teilt das Preisgeld mit seiner Familie. Der 21-Jährige kann bei Olympia eine Medaille gewinnen, sagt Cheftrainer Pointner.
Thomas Diethart
Wintersport

Diethart: "Ich habe etwas wahnsinnig Lässiges geleistet"

Thomas Diethart muss den Tourneesieg erst realisieren, bevor er sich neue Ziele steckt. Ob der 21-Jährige am Klum startet, ist aber noch offen.
Simon Ammann
Wintersport

Ammann: "Gehe nicht gern als Verlierer vom Platz"

Simon Ammann wollte noch nicht verraten, ob es seine letzte Tournee war. In jedem Fall präsentierte sich der Schweizer in guter Olympiaform.
Thomas Diethart
Wintersport

Diethart sieht "Reserven" für Finale in Bischofshofen

Der coole Shootingstar der Skisprungszene gibt sich vor der heutigen Entscheidung zuversichtlich. Thomas Morgenstern hinterließ den stärksten Eindruck.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.