Zwei Frauen spalten Bangladesch

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Parlamentswahl. Der blutige Machtkampf geht mit dem Sieg der Premierministerin in die nächste Runde: Zahlreiche Menschen kamen bei erneuten Gewaltausbrüchen ums Leben.

Dhaka. Das Telefongespräch beginnt schon mit einem Streit. Die Anruferin fragt, warum die Angerufene nicht an den Apparat gegangen sei, als sie ein paar Stunden zuvor versucht habe, sie zu erreichen. Diese antwortet, das Telefon habe nicht funktioniert. Die Anruferin entgegnet, doch, sie habe es klingeln gehört. Das entspreche nicht der Wahrheit, antwortet die Angerufene. Die Anruferin lüge, merkt sie an. So könne sie kein Gespräch mit ihr führen. So geht es fast 40 Minuten lang weiter.

Was wie eine Episode aus einem kleinlichen Nachbarschaftsstreit klingt, ist in Wirklichkeit einer der Hauptgründe dafür, dass Bangladesch einmal wieder am Abgrund steht. Der beschriebene Dialog war der Beginn eines Telefonats zwischen den seit Langem verfeindeten Chefinnen von Bangladeschs großen Volksparteien. Sheikh Hasina, Chefin der Awami League (AL) und Premierministerin des Landes, hat im Oktober nach langer Zeit zum ersten Mal mit ihrer Erzrivalin gesprochen, der Ex-Premierministerin und Oppositionschefin Khaleda Zia. Die beiden verbindet schon seit Jahrzehnten eine innige Feindschaft.

Satte Mehrheit

Zias Bangladesh Nationalist Party (BNP) hat die Parlamentswahlen am Wochenende – gemeinsam mit 17 verbündeten Parteien – boykottiert. Die BNP hatte von der Regierung gefordert, vor der Abstimmung eine unabhängige Übergangsregierung einzusetzen, die den Verlauf der Wahlen überwachen sollte. Das war bis vor wenigen Jahren die verfassungsgemäße Praxis. 2011 hat die Regierung von Premierministerin Sheikh Hasina diese Regelung jedoch abgeschafft.

Dank des Boykotts hat die Regierungspartei erwartungsgemäß gewonnen: Mehr als die Hälfte der Sitze waren bereits vor der Wahl an die AL gefallen, da in vielen Wahlkreisen keine Gegenkandidaten angetreten waren. Mit den zusätzlich gewonnenen Sitzen verfügt die AL nun über mehr als drei Viertel der Sitze im Parlament. Nur 22 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab.

Die Wahl hat indes die tiefe politische Krise des Landes deutlich verschärft. Ein Konflikt, der bereits seit Jahren andauert: Denn 2007 war die Situation genau umgekehrt. Damals hat die Awami League Wahlen boykottiert. Als die Armee daraufhin einschritt und für zwei Jahre die Macht übernommen hat, haben viele Bangladescher diesen Schritt begrüßt. Jetzt steht das Land wieder da, wo es 2007 schon einmal war.

Die tiefe Feindschaft zwischen den beiden Fürstinnen von Bangladeschs Politik reicht bis in die Gründerjahre der jungen Republik zurück. Bangladesch ist 1971 aus der blutigen Abspaltung von Pakistan entstanden. Hasinas Vater, Sheikh Mujibur Rahman, wurde der erste Präsident und anschließend Premierminister des Landes. 1975 wurde er bei einem Attentat ermordet. Zwei Jahre später wurde der Armeeoffizier und BNP-Gründer Ziaur Rahman Präsident. Seine Frau Khaleda Zia wurde Parteichefin, als ihr Mann 1981 ebenfalls bei einem Attentat ermordet wurde. Seitdem kämpfen beide Frauen mit ihren Parteien um die Vorherrschaft in Bangladesch.

Programmatisch unterscheiden sich die AL und die BNP nur geringfügig. Der einzige bedeutende Unterschied ist die Haltung gegenüber der Religion. Sheikh Hasina und die AL setzen sich für einen säkularen Staat ein, während Khaleda Zia eine stärkere Einbindung der Religion fordert. Ein Koalitionspartner der BNP ist die Jamaat-e-Islami (JI), die größte islamistische Partei des Landes. Dass Hasina nach ihrem Wahlsieg Ende 2008 praktisch deren Führung wegen Verbrechen während des Unabhängigkeitskrieges vor ein Sondergericht stellen ließ, sehen viele Bangladescher daher auch als Versuch an, die BNP ihres wichtigsten Koalitionspartners zu berauben.

Die eskalierende politische Gewalt droht, die wirtschaftlichen Errungenschaften der vergangenen zwei Jahrzehnte zunichtezumachen. Daher richten sich nun alle Blicke auf die verfeindeten Parteichefinnen. Von ihnen hängt es ab, ob sich die Dinge in Bangladesch wieder beruhigen werden. Danach sieht es derzeit nicht aus. Erst vor wenigen Tagen hat Hasina gedroht, Zia – die derzeit de facto unter Hausarrest steht – wegen der Unruhen bei der Wahl vor Gericht zu stellen.

Am Wahltag kamen landesweit mindestens 18 Personen ums Leben. Zu den meisten Toten kam es, als Sicherheitskräfte auf Demonstranten geschossen haben, die Wahllokale stürmen wollten. Auch gestern kam es zu Gewalttaten: Bei Zusammenstößen zwischen Anhängern rivalisierender Parteien wurden in Dhaka sieben Personen getötet.

Premierministerin Hasina bezeichnete ihre Wiederwahl als legitim. Sie habe der Opposition eine Machtbeteiligung angeboten, sagte sie. „Aber sie haben nicht reagiert.“

AUF EINEN BLICK

Bei der Parlamentswahl in Bangladesch hat sich die regierende Awami-Liga eine komfortable Zweidrittelmehrheit geholt. Der Sieg der Awami-Liga stand wegen des Boykotts der Opposition schon vor der Wahl fest. Mehr als die Hälfte der Parlamentssitze gingen ohne Gegenkandidaten an die Awami-Liga. Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben der Wahlkommission bei 22 Prozent. Bei Krawallen zwischen Oppositionellen, Regierungsanhängern und Sicherheitskräften starben zahlreiche Menschen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2014)

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