Ungarn: Raiffeisen ist gegen Orbán machtlos

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Mit unorthodoxen Methoden führt Ungarns Premierminister, Viktor Orbán, sein Land aus der Krise. Indessen teilt die RBI mit, dass sie sich von ihrer Ungarn-Tochter derzeit nicht trennen werde.

Wien/Budapest. Die Raiffeisen Bank International (RBI) steckt im Dilemma: Die Bank hat in Ungarn schon über 400 Millionen Euro in den Sand gesetzt. Eine rasche Erholung ist nicht in Sicht. Schuld daran sind die Bankensteuer und andere Belastungen. So ordnete die Regierung von Premierminister Viktor Orbán an, dass die Banken die Fremdwährungskredite von Privatkunden zu günstigen Konditionen umtauschen müssen.

Nun hat die teilstaatliche ungarische Szecheny Commercial Bank für die Budapester Tochter von Raiffeisen ein Übernahmeangebot gelegt. Doch die Ungarn wollen nur einen Euro zahlen. Ein Verkauf zu diesem Preis wäre ein Wahnsinn. Doch wie viele Verlustjahre soll Raiffeisen in Ungarn noch riskieren? „Der Ball ist jetzt bei den Österreichern“, sagte Ungarns Wirtschaftsminister, Mihaly Varga, am Mittwoch im Fernsehen.

Am Mittwochabend hat die RBI mitgeteilt, dass man nach Prüfung vorliegender Angebote beschlossen habe, unter den aktuellen Rahmenbedingungen den Verkauf "derzeit nicht weiterzuverfolgen." Mit einem Geschäftsvolumen von 7,1 Milliarden Euro gehört die Ungarn-Einheit zu den führenden Auslandstöchtern von Raiffeisen. Laut Angaben der Notenbank in Budapest könnten sich bis zu vier Großbanken aus Ungarn verabschieden.

Erklärtes Ziel von Orbán ist es, dass sich die Mehrheit des ungarischen Finanzsektors wieder in inländischer Hand befindet. Das Vorgehen gegen die Banken ist kein Einzelfall. Auch andere Branchen wie Telekom, Energie und Handel werden in Ungarn mit Sondersteuern belastet. Betroffen davon sind meist ausländische Konzerne.

Ende der Kolonialisierung

Orbán bezeichnet sein Vorgehen als „Ende der Kolonialisierung“. Die Investoren, vor allem die Banken, beschwerten sich darüber bei der EU. Doch das bringt wenig. Denn die Partei von Orbán ist Mitglied der Europäischen Volkspartei. Und diese hält den ungarischen Freunden stets den Rücken frei – auch wenn es um demokratiepolitische Fragen geht.

Bei aller Kritik aus der Wirtschaft darf aber auch nicht vergessen werden, dass Orbán sein Land aus der Krise geführt hat. 2008 stand Ungarn im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise vor dem Staatsbankrott. Der Internationale Währungsfonds (IWF) musste mit Notkrediten von 7,5 Mrd. Euro einspringen. Im Vorjahr zahlte Ungarn alle IWF-Schulden zurück.

Orbán lieferte sich mit dem IWF einen Schlagabtausch: Denn der Währungsfonds verlangte die Abschaffung der Bankensteuer. Doch Orbán wollte sich nicht vorschreiben lassen, was er zu tun habe. Seinen Angaben zufolge bestehe der Unterschied zwischen der europäischen und der ungarischen Krisenbekämpfung darin, dass sich die EU für die Banken und Ungarn für die Bürger und mehr Arbeitsplätze einsetze.

Die Wirtschaftspolitik von Orbán hat mehrere Facetten: Während die Banken geschröpft werden, wird die Industrie gezielt unterstützt. Mit Förderungen wurden internationale Autokonzerne angelockt. Diese haben tausende Jobs geschaffen. Mit 9,5Prozent ist die Arbeitslosigkeit in Ungarn niedriger als etwa in Polen (10,2Prozent) und in der Slowakei (14Prozent).

Hohe Staatsverschuldung

Im Frühjahr 2014 wird in Ungarn ein neues Parlament gewählt. Umfragen zufolge dürfte die konservative Fidesz-Partei von Orbán zwar wieder gewinnen, aber die Zweidrittelmehrheit verlieren.

„Ungarn ist nicht mehr in der Rezession. Aber der Aufschwung ist schwach“, sagt Ungarn-Experte Sandor Richter vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche. Im Vorjahr dürfte es laut Richter ein Wirtschaftswachstum zwischen 0,9Prozent und 1,1Prozent gegeben haben. Die genauen Zahlen liegen noch nicht vor.

Richter gibt weiters zu bedenken, dass die Verschuldung von Ungarn im Vergleich zu anderen osteuropäischen Ländern hoch ist. Zuletzt wies Ungarn laut Eurostat eine Schuldenquote von 79,8Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf. Polen kommt auf 55,6Prozent), Kroatien auf 55,5Prozent und Slowenien auf 54,4Prozent. Ungarn schneidet aber besser ab als viele westeuropäische Länder wie Frankreich (90,2Prozent), Großbritannien (88,7Prozent) und Deutschland (81Prozent).

AUF EINEN BLICK

Raiffeisen prüft den Rückzug aus Ungarn. Für die Budapester Tochter liegt ein Kaufangebot von einem Euro vor. Ungarns Premierminister, Viktor Orbán, will die Macht der Auslandsbanken einschränken. Sein Ziel ist es, dass sich der ungarische Finanzsektor wieder zu 50Prozent in inländischer Hand befindet. Mit Sondersteuern und anderen Maßnahmen führte Orbán sein Land aus der Krise.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2014)

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