Die Selbstständigen als die Deppen der Nation (Teil II)

Schon die Nationalsozialisten unterschieden zwischen gutem "schaffenden" und bösem "raffenden" Kapital. Komisch, woran erinnert uns das jetzt bloß?

Dafür, dass sie Österreichs etwas besser verdienenden Selbstständigen künftig deren bisheriges steuerliches Äquivalent zum 13. und 14.Monatsgehalt weitgehend streichen und damit deren Steuerlast erheblich anheben will („Quergeschrieben“ vom 3.1.), hat sich die Regierung eine interessante Erklärung ausgedacht.

Die „Realwirtschaft“, behauptet sie, soll gestärkt werden, indem Selbstständige nur noch einen Computer oder einen Traktor von der Steuer absetzen können, nicht aber – wie bisher teilweise möglich – etwa den Erwerb von Anleihen österreichischer Unternehmen. Vor allem der Sozialdemokratie war das ein Herzensanliegen. „SPÖ wollte Realinvestitionen statt Finanzprodukte schon 2008,“ twitterte darob zufrieden der rote Wirtschaftspolitiker Christoph Matznetter.

Dass die sogenannte Realwirtschaft etwas Löbliches, die „Finanzwirtschaft“ hingegen ein neoliberales Übel ist, gehört seit Langem zum gesicherten Wissen der Sozialdemokraten in allen Parteien. Neu ist das nicht: So ähnlich hat schon der seinerzeit bekannte nationalsozialistische Ökonom und Politiker Gottfried Feder argumentiert, indem er zwischen „schaffendem Kapital“ (etwa Handwerker) und „raffendem Kapital“ (Bankiers und Spekulanten) unterschieden haben wollte.

Was bei Feder „schaffendes Kapital“ war, wird heute etwas zeitgemäßer Realwirtschaft genannt, das „raffende Kapital“ hingegen Finanzwirtschaft – inhaltlich freilich ist das Jacke wie Hose. Als Instrument der politischen Mobilisierung taugt diese Unterscheidung heute so gut wie damals, weil sie bestens geeignet ist, Neid und Missgunst zu schüren und anschließend politisch urbar zu machen.

An den Fakten gemessen sind Realwirtschaft und Finanzwirtschaft heute freilich so wenig Antagonisten, wie sie es zu Lebenszeiten Gottfried Feders waren. Sie voneinander getrennt zu beobachten und zu bewerten ist sachlich ungefähr so gerechtfertigt wie Sex als Antagonisten der Fortpflanzung zu verstehen. Es wäre daher höchst aufschlussreich, von einem der ökonomischen Superstars in den beiden Regierungsparteien zu erfahren, warum es zwar eine für Österreich wünschenswerte Investition in die Realwirtschaft darstellt, wenn ein hierzulande Steuerpflichtiger sich über einen US-Onlinehändler einen Computer aus chinesischer Produktion zulegt (kann auch künftig abgesetzt werden), nicht jedoch, wenn derselbe Steuerpflichtige Anleihen der Voest zeichnet (kann künftig nicht mehr abgesetzt werden), mit deren Ertrag das Unternehmen investieren und Arbeitsplätze schaffen könnte.

Dass nach Plänen der Koalition auch Investitionen in Anleihen der Republik oder solche von ÖBB und der Straßenbaugesellschaft Asfinag nicht mehr als der Realwirtschaft dienlich eingestuft werden, hat freilich eine subtile selbstentlarvende Note, für die wir ihren Urhebern durchaus dankbar sind. Genauso aufschlussreich wäre, von den Epigonen Gottfried Feders einmal zu erfahren, wie eine Realwirtschaft ohne „raffendes“ Kapital überhaupt funktionieren kann.

Auch hart gesottene Gegner von Spekulation, Zockerei und Casinokapitalismus werden konzedieren, dass etwa die Produktion hochwertigen Stahls in Linz Teil der Realwirtschaft ist und daher kein Wirtschaftsverbrechen darstellt. Doch blöderweise muss sich die Voest gegen Veränderungen des Dollarkurses, des Erzpreises oder anderer wichtiger Ertragsfaktoren versichern können, will sie Verluste vermeiden. Dazu braucht sie natürlich als Kontrahenten genau jene Zocker, die das „raffende Kapital“ darstellen. Das eine ist ohne das andere eben nicht vernünftig möglich.

Das weiß vermutlich selbst die Regierung, weshalb sie ja auch an anderer Stelle ihres Programms ganz richtig fordert, dass der Finanzplatz als Standortfaktor wieder stärker beachtet werden müsse. Ja, eh. Die angebliche Sorge um die Realwirtschaft ist deshalb eine bloße Chuzpe, mit deren Hilfe die Selbstständigen unverschämt abgezockt werden.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2014)

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