Der gefräßige Steuerstaat und das verlorene Jahrzehnt

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Ist den Steuerbürgern eigentlich klar, dass ihnen der Staat alle realen Einkommenszuwächse der vergangenen 14 Jahre weggefressen hat?

Neues Jahr, neue Regierung, neuer Finanzminister, neue und höhere Steuern: Gestern, nur ein paar Wochen nach der Angelobung, hat Michael „Mit mir gibt es keine Steuererhöhung“ Spindelegger sein erstes Steuer- und Belastungspaket, das uns eine runde Milliarde kosten wird, auf Schiene gebracht.

Also alles wie gehabt, hat ohnehin niemand etwas anderes erwartet. Nach der längst überfälligen strukturellen Reform des unterdessen reichlich (zulasten der Arbeitseinkommen) in Schieflage geratenen Steuersystems sieht das allerdings nicht aus. Diese Diagnose trifft im Übrigen auch auf die gleichzeitig verfügten Ausgabenkürzungen in den Ministerien zu: Auch hier, ausgabenseitig, keine Spur von den seit Jahrzehnten anstehenden Strukturreformen. Eine simple Erhöhung von Konsumsteuern und eine mickrige Alibirasenmäherkürzung bei den Ausgaben: So lässt sich kein Budget sanieren und schon gar nicht die Wirtschaft „entfesseln“. Darauf kann man mit dem Entfesselungskünstler aus der Wiener Johannesgasse ruhig eine Kiste vom Feinsten wetten.

Den meisten Wählern dieser (und der vorangegangenen) Regierung(en) scheint nicht klar zu sein, was so ein Murks für sie bedeutet. Möglicherweise deshalb, weil sie gar nicht wissen, dass ihr reales Nettoeinkommen im Schnitt (trotz realer, wenn auch nicht gewaltiger Bruttolohnsteigerungen) heute unter dem des Jahres 2000 liegt. Und dass an diesem einkommensmäßig verlorenen Jahrzehnt überwiegend der gefräßige Steuerstaat schuld ist.

Am Beispiel der vergangenen vier Jahre, in denen ja schon die derzeitigen „Staatskünstler“ am Werk waren: In den Jahren 2010 bis 2013 sind die Einkommensteuereinnahmen des Bundes im Schnitt um 5,6Prozent pro Jahr gestiegen. Ganz schön saftig, bei durchschnittlichen nominellen Bruttolohnsteigerungen von 1,7 Prozent. Das nennt man kalte Progression. Diese nominellen Einkommensteigerungen sind von der Inflation mehr als zur Gänze weggefressen worden, was reale Bruttolohneinbußen von durchschnittlich 0,6 Prozent im Jahr ergibt. Und der Staat hat mit seiner kalten Progression schließlich dafür gesorgt, dass unter dem Strich ein jährlicher Nettolohnverlust von 1,1 Prozent herausspringt. Dass daran auch noch höhere Konsum- und sonstige Steuern knabbern, ist in dieser Rechnung noch gar nicht enthalten.

Entspricht dieses Wahnsinnssystem, das Menschen mit Arbeitseinkommen von Jahr zu Jahr definitiv ärmer macht, ihrer Vorstellung von „Leistung muss sich lohnen“, Herr Spindelegger? Und meinen Sie das, wenn Sie so salbungsvoll über steuerliche „Gerechtigkeit“ reden, Herr Faymann? Nein? Sind Sie zu schwach und unwillig, daran gegen die Bewahrer und Betonköpfe in diesem Land etwas zu ändern und echte Reformen auf den Weg zu bringen, und pappen Sie stattdessen lieber noch ein paar Steuern auf eine der ohnehin welthöchsten Steuerquoten drauf? Haben wir uns fast gedacht!


Wir wissen schon: Der Finanzminister ist nicht das Christkind – und haben trotzdem eine Wunschliste. Nämlich eine Systemreform bei den Steuern, die die entstandenen Ungleichgewichte beseitigt. Das müsste sich aufkommensneutral machen lassen. Und dann eine Abarbeitung der wichtigsten Reformpunkte von Pensionen bis Föderalismus, die seit dem Österreich-Konvent auf dem Tisch liegen.

Dann könnten sich die Koalitionäre noch überlegen, ob die beiden größten Geldvernichtungsmaschinen der Republik, nämlich die Bundesbahn und die Landwirtschaft, wirklich so aufreizend von allen Sparmaßnahmen ausgenommen werden müssen. Da gibt es ja nette Potenziale aufzuspüren. Von unsinnigen Multiförderungen auf allen Ebenen in der Landwirtschaft (etwa subventionierten Ohrmarken für Rindviecher oder Ersatzzahlungen für fehlende Gemeinde-stiere) bis hin zu Milliardeninvestitionen in Bahnstrecken auf der Basis von ganz offensichtlich falschen Verkehrsprognosen. Schlecht, weil es da um Kernwählerschichten der Regierungsparteien geht? Tja – dazu brauchten wir halt eine echte Regierung. Vielleicht bekommen wir irgendwann noch eine...

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2014)

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