Hausgeschichten: Die Kirche bleibt im Dorf

Im aufgelassenen Kloster von Maria Anzbach regt sich demnächst neues Leben. Bald beginnen die Um- und Neubauarbeiten für Seniorenrefugium, Wohnungen und Meierei.

In der Ecke eines großen Raumes stapeln sich die ausrangierten Nachtkästchen. Im Gang türmen sich die alten Tische. Die Sechzigerjahre-Fauteuils stehen noch im Halbkreis da, als würden sie bloß darauf warten, dass das Hauptabendprogramm beginnt. Sie haben den Auszug der Schwestern aus dem Annunziatakloster von Maria Anzbach nach Döbling oder nach Seitenstetten nicht mitgemacht.

In dem – seit zwei Jahren – einsamen Gemäuer aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert wirkt es momentan kälter, als es draußen ist. Das mag auch damit zu tun haben, dass die Seele aus dem Kloster Am Stein ausgezogen ist und es noch ein, zwei Jahre dauern wird, bis eine neue einziehen wird. Einfach lebten die zuletzt 20 Schwestern der Franziskanerinnen-Missionarinnen Mariens an diesem Südhang im Wienerwald. Wie schwer es ihnen gefallen war, nach vielleicht Jahrzehnten ihr angestammtes Kloster loszulassen, füllte einen Kinodokumentarfilm. „Die große Reise“ (von Helmut Manninge) zeigt Abschied und Aufbruch.

Doch die letzten Jahre in der zusehends betreuungs- und sanierungsbedürftig gewordenen Liegenschaft mussten zur Last geworden sein, der Erhalt des 25 Hektar großen Areals – Wald, Acker, Landwirtschaft, Friedhof, Nebengebäude – war nicht mehr gut zu bewerkstelligen. Ein Verkauf an einen privaten Investor schien sinnvoll, er erfolgte 2012. Dann wurde lange geplant, verworfen, neu geplant, mit den Schwestern und der Bürgermeisterin abgesprochen, wie Daniel Jelitzka von JP Immobilien, der hinter diesem Großprojekt steht, schildert: „Es war ein sehr personenintensives Verfahren, bei dem mehrmals geprüft wurde, ob wir die Richtigen sind.“ Schließlich überzeugte man mit einer Art Triptychon der Nutzungen: Seniorenrefugium, Wohnungen, Meierei und Gastronomie für das Gemeinschaftsleben. „Die Seele des Projekts ist aber augenscheinlich: das Kloster und die Kirche.“ Auch der Ordensfriedhof hinter einem Waldstück und einem kleinen Kreuzweg bleibt erhalten.

Generationen gemeinsam

Jelitzka hat sehr konkrete Vorstellungen, wie das von BWM Architekten und Partner geplante Areal Kloster am Stein im Winter 2015, nach Abschluss von Abriss-, Umbau- und Neubauarbeiten aussehen könnte: wie ein kleines Dorf, voller Leben. Menschen aller Generationen wohnen hier gemeinsam – die einen im neuen Seniorenrefugium mit 22 Einheiten für Einzelpersonen oder Paare, die anderen in den 45 bis 60 Eigentumswohnungen in der refurbishten Bausubstanz der Klausur und der Nebengebäude. Auf dem neu angelegten Badeteich spielen Bewohner und Spaziergänger Eisstockschießen, die Kinder drehen ihre Runden. In der zur Meierei gehörigen Gastwirtschaft herrscht Hochbetrieb, weil sie zum Ausflugsziel und Ort von Veranstaltungen wird. Vielleicht hilft dort der eine oder andere Senior mit, selbst gepressten Most, dessen Äpfel er im Obstgarten der Landwirtschaft mitgeerntet hat, auszuschenken.

Sollte in der Kirche einmal keine Hochzeit oder Taufe stattfinden, ist noch Platz im Kalender für ein Ereignis, das in den sakralen Kontext passt – Lesungen, Konzerte, Krippenspiele. Die Kirche bleibt das Herzstück. „Wir haben die Verpflichtung übernommen, dass wir sie erhalten,“ bekräftigt Jelitzka. Dazu muss man sie aber erst sichtbar machen, „wir wollen das Kloster wieder optisch freistellen“. Ein erster Schritt wird also sein, die beiden hässlichen Baukörper, die aus wenig nachvollziehbaren Gründen vor ein paar Jahrzehnten vor die neogotische Kirche und das Kloster gepflanzt wurden, abzureißen und niedrigere, lichte Bauten mit allem Komfort und Haustechnik für die Senioren hinzustellen.

An dieser Stelle befand sich bereits ein Seniorenheim, mangels technischer Standards wurde es geschlossen. Mit der Vinzenz-Gruppe ist nun ein Betreiber für das bald neu errichtete gefunden. Ältere Menschen sollen im Refugium mit vielen Annehmlichkeiten und Versorgungsleistungen leben, auch mit ihrem Haustier. Jelitzka überlegt überdies in Richtung einer Demenzstation. Jedenfalls war es allen wichtig, „dass der soziale, karitative Gedanke wieder aufgefrischt wird – in einer zeitgemäßen Form.“

Zur Liegenschaft

Annunziatakloster Am Stein liegt in Maria Anzbach im Wienerwald. Vor zwei Jahren gaben die Schwestern vom Orden der Franziskanerinnen-Missionarinnen Mariens das Kloster auf. Der private Investor will über zwölf Millionen Euro investieren: Nach Plänen von BWM Architekten und Partner werden Kloster, Kirche und landwirtschaftliche Gebäude refurbisht. Zubauten werden abgerissen und neu errichtet. 25 Hektar großes Areal mit Wald, Acker, Grünland und 7000 m22 Nutzfläche.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2014)

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