Israel nimmt Abschied "von größtem Patrioten"

ISRAEL OBIT ARIEL SHARON
ISRAEL OBIT ARIEL SHARONAPA/EPA/MICHAEL KRAMER
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Der Sarg von Ariel Scharon wird heute im Parlament aufgebahrt. In Israel gibt es auch kritische Stimmen über das Erbe des Ex-Regierungschefs.

Der Sarg des früheren Ministerpräsidenten Ariel Scharon ist am Sonntag für sechs Stunden vor dem Parlament in Jerusalem aufgebahrt worden. Er war in eine weiß-blaue israelische Flagge mit Davidstern gehüllt. Viele Bürger haben vor der Knesset mit einem Defilee vor dem Sarg Abschied genommen. Zu Beginn des Defilees legte Staatspräsident Shimon Peres am Sarg einen Kranz nieder. Sharon war am Samstag nach langer Krankheit im Alter von 85 Jahren gestorben. Der frühere Militär und Politiker war nach einem Schlaganfall acht Jahre im Koma gelegen.

Bis zum Abend kann die Öffentlichkeit Scharon auf dem Platz vor der Knesset die letzte Ehre erweisen. Am Montag ist dann eine offizielle Trauerfeier im Parlament vorgesehen. Dabei sind unter anderem Ansprachen von Staatspräsident Shimon Peres, Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Angehörigen Scharons geplant. Die USA sollen dabei von Vize-Präsident Joe Biden vertreten werden. Auch der Nahost-Gesandte Tony Blair und der russische Parlamentspräsident Sergej Naryschkin werden erwartet.

Anschließend wird Scharon mit militärischen Ehren auf seiner Farm in der Negev-Wüste beigesetzt.

"Viele falsche Entscheidungen getroffen"

Der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Shimon Stein, hat den verstorbenen Ex-Regierungschef indes als einen "der größten Patrioten des Landes" gewürdigt. "Ariel Scharon wird für immer in der Geschichte Israels verewigt sein", sagte Stein der "Huffington Post Deutschland".

Scharons politische Bilanz bewertete er aber keineswegs nur positiv: "Er hat viele unglückliche und falsche Entscheidungen getroffen und unserem Land ein schweres Erbe hinterlassen."

Der Ex-Diplomat khritisierte vor allem die rigorose Siedlungspolitik Scharons in den Palästinensergebieten. "Die Siedlungsbauten sind Scharons Makel und Israels großes Hindernis auf dem Weg zu einem Friedensvertrag", sagte Stein. Gleichzeitig zollte er Sharon großen Respekt für seine politische Wende. 2005 setzte der Regierungschef gegen massiven Widerstand in den eigenen Reihen den vollständigen Rückzug aus dem Gazastreifen sowie die Aufgabe aller Siedlungen in dem palästinensischen Küstengebiet durch.

"Gaza war nie ein Teil Israels. Scharon hat uns von einer großen Last befreit", sagte Stein. Der frühere General habe im Alter erkannt, "dass es eine Gefährdung für die Demokratie ist, wenn Israel das ganze Land für sich beansprucht". Wäre der damalige Regierungschef nicht ins Koma gefallen, hätte er wohl "noch mehr für den Friedensprozess getan", mutmaßte Stein. "So werden wir leider nie erfahren, ob es ein voller politischer Wandel war."

(APA/AFP)

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