Die Wild-West-Achse und Spindeleggers leere Drohung

Sonntagnacht kommen die ÖVP-Granden ihrer dringlichsten Aufgabe nach: eine Obmanndebatte zu ersticken, die sie selbst ausgelöst haben.

Wie oft kann ein Spitzenmanager drohen, alles hinzuschmeißen, bis seine Aufsichtsräte und/oder Vorgesetzten – egal, wie weit oben, jeder hat noch einen über sich – einfach nur noch mit der Achsel zucken? Und den Abgang hinnehmen? Nicht sehr oft.

Michael Spindelegger hat am Sonntag die Vertrauensfrage gestellt. Nicht zum ersten Mal und durchaus mit guten Argumenten. Die Art und Weise, wie ihn einige Landeshauptleute in den vergangenen Wochen vorgeführt haben, ist selbst in der an Intrigen, Machtspielen und Demütigungsrollenspielen reichen ÖVP-Geschichte relativ einzigartig.

Es begann harmlos und passend zur neuen Region-und-Boden-Mode. Die Landeshauptleute des Westens erklärten, in Zukunft mitunter eigene Wege gehen zu wollen. Das klang ein bisschen nach Schweizer Sparsamkeit, bayrischer Eigenständigkeit und alpiner Sportlichkeit gegen die St. Pöltner Hegemonie. Doch nach wenigen Wochen steht fest: Es geht den Herren Markus Wallner, Günther Platter und Wilfried Haslauer – mittlerweile verstärkt durch den innenpolitischen Amateurboxer Hermann Schützenhöfer – vor allem um mediale Aufmerksamkeit.

Noch nie bekamen sie in allen möglichen Medien so viele Interviews, so viele Auftritte, so viele Schlagzeilen: Ob Gesamtschule oder Steuerpolitik, tagtäglich wurde die Bundeslinie konterkariert. Interessanterweise haben alle drei Herren aber im ÖVP-Bundesvorstand für Spindelegger und sein Verhandlungsergebnis mit der SPÖ gestimmt. Schützenhöfer ging einfach früher.

Tatsächlich ist das wichtige Thema Schule im Regierungsprogramm so formuliert wie vieles: also harmlos und vage. SPÖ und ÖVP wollten das Thema Gesamtschule ausklammern beziehungsweise vorerst außer Streit stellen. Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) stand vor einer schwierigen Aufgabe. Und wer verhandelte das alles für die ÖVP? Wilfried Haslauer, der Vizekanzler Spindelegger nun für sein – Haslauers – Ergebnis kritisiert. ÖVP-Landeshauptmann müsste man eben sein.

Haslauer, der so gern Muskel zeigt, wurde übrigens nur Landeshauptmann, weil er weniger als Gabriele Burgstaller verloren hat. Markus Wallner wiederum fürchtet nichts mehr als die Neos und nimmt Anleihe bei seinem Konkurrenten Matthias Strolz, der in Vorarlberg Heimvorteil hat: für die Gesamtschule eintreten, und das immer schön aufgeregt. Was Günther Platter genau will, weiß man auch in Tirol nicht. Aber gegen Wien und nach Bozen ist zumindest eine Himmelsrichtung, in der er sich politisch vortasten kann.

Nach der Bildungsdebatte sprach sich Haslauer für die Vermögensteuer aus – das machte nicht einmal Werner Faymann in den Regierungsverhandlungen. Morgen wird er vermutlich für das Berufsheer und gegen Brüssel auftreten. Sachlich wirklich recht hat er nur, wenn Haslauer die absurden Steuererhöhungen für die Wirtschaft am Beginn einer zaghaften Konjunkturerhöhung kritisiert. Da könnte er durchaus lauter sein.

Wenn Michael Spindelegger nun also die Vertrauensfrage stellt, ist das gerechtfertigt, aber leider auch aus einem anderen Grund: Wenn er die drei von der Wild-West-Tankstelle nicht unter Kontrolle bringen kann, ist er einfach kein Bundesparteichef.

Oder anders formuliert: Wenn Erwin Pröll seiner späten Entdeckung Spindelegger am Sonntag den Rücken stärken muss, um den ÖVP-Regierungszug, oder besser: die Regierungstram weiter rollen zu lassen, beweist das zweierlei. Auch in St.Pölten (und Linz) ist man über die Zuckungen in den kleineren ÖVP-Ländern erstaunt bis verärgert. Und die Schützenhilfe erhöht die Emanzipation, die Unabhängigkeit und die Macht von Parteichef Spindelegger nicht unbedingt. Eher im Gegenteil.

Wenn man mit einem bestimmten Szenario droht, muss man es im Ernstfall übrigens wirklich durchziehen wollen.

E-Mails an:rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2014)

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