Wien: Wenn Stadt und Partei Eins werden

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Archivbild: SPÖ-Feier zum "Tag der Arbeit" vor dem Wiener Rathaus.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Eigentlich arbeiten Bezirksräte in ihrer Freizeit und für eine geringe Aufwandsentschädigung. Ein SPÖ-Mandatar tut das während der Dienstzeit für eine städtische Firma. Bei vollen Bezügen. Er dürfte nicht der einzige sein.

Wien. Ein Grund, warum sich die Wiener SPÖ bei Gemeinderatswahlen regelmäßig vor Protestwählern fürchtet, ist die Partei selbst. Es sind die vielen kleinen Ungereimtheiten, die auch Stammwähler die Nibelungentreue am Wahltag manchmal vergessen lassen. Und die die Opposition für sich zu nutzen weiß. In den anderen Bundesländern mit starken Mehrheitsparteien ist das ähnlich.

Ein gutes Beispiel für den über Jahrzehnte gewachsenen Filz aus Bürgermeisterpartei, Stadt und der ihr nachgeordneten Betriebe ist ein aktueller Fall aus Simmering. Der Bezirk gilt seit jeher als rote Festung. Doch die bröckelt. Sogar in der Bezirkspartei wird darüber gestritten, ob es in Ordnung ist, wenn ein Bezirksrat seine politische Arbeit während der Dienstzeit macht. Bei vollen Bezügen. Manchmal mit dem Dienstauto.

Stünde der Arbeitgeber von Heinz Herndlhofer in Privateigentum, wäre all das keine große Sache. Tatsächlich gehört Herndlhofers Dienststelle, die Wiener Netze GmbH, den Wiener Stadtwerken – und damit der Stadt. Und in der hat – jetzt schließt sich der Kreis – seit vielen Jahren ebenjene Partei das Sagen, für die Herndlhofer politisch tätig ist. Ist das alles nur Zufall?

Herndlhofer war für die „Presse“ schriftlich und telefonisch nicht erreichbar. Dafür sein Arbeitgeber. Das Unternehmen, das das Wiener Gas- und Stromnetz betreibt, bestätigt, dass der Bezirksrat seine Tätigkeit am Volk im Rahmen des Arbeitsvertrages verrichten darf. Etwa 40 Prozent seiner vereinbarten Wochenarbeitszeit ist er demnach nicht für die Kunden von Wiener Netze, sondern für Partei und Bezirk im Einsatz. Unternehmenssprecher Christian Neubauer rechtfertigt die Freistellung damit, dass Herndlhofer viel Verantwortung trage. „Er ist nicht nur einfacher Bezirksrat, sondern auch Vorsitzender der Verkehrskommission.“
Ob er denn der einzige Politiker im Unternehmen ist, den die Kunden von Wiener Netze bezahlen? „Wir haben nicht viele im Haus, aber jene, die wichtige Funktionen innehaben, bekommen von uns dafür frei.“ Das betrifft vor allem jene Mitarbeiter, die vor der Ausgliederung des Unternehmens Beamte der Stadt Wien waren. Ihnen steht es rechtlich sogar zu, entsprechende Funktionen während der Dienstzeit auszuüben. Theoretisch können das auch Funktionäre anderer Parteien nutzen.

Bezirksräte, die in privaten Betrieben tätig sind, leisten ihre Arbeit in der Freizeit. Herndlhofers Vorgänger, Herbert Dolezal, war 48 Jahre in der SPÖ. Für seine Arbeit in der Verkehrskommission musste er sich bei seinem Arbeitgeber freinehmen. Aufwand? „Höchstens zwei Tage im Quartal.“

Stadtrechnungshof soll prüfen

Dolezal empfand die Angelegenheit schon im Herbst als dermaßen parteischädigend, dass er Wiener Netze informierte. Am 11. September gab es ein Gespräch mit der Geschäftsführung. Er wurde gebeten, weder Medien noch andere Parteien darüber zu informieren. Immerhin standen die Nationalratswahlen vor der Tür (29. September). Und jetzt?

Dolezal hat der Partei den Rücken gekehrt und arbeitet als „wilder“ Abgeordneter im Berzirksparlament, die Story ist öffentlich und die Opposition – siehe Anfang des Artikels – reibt sich die Hände. Die FPÖ, die im Bezirk die starke, zweite Macht stellt, will die Angelegenheit genauer unter die Lupe nehmen. Der Simmeringer Gemeinderat Manfred Hofbauer diagnostiziert bei der SPÖ das Fehlen jeglicher Sensibilität bei der Unterscheidung von Partei und öffentlichem Vermögen – und kündigt die Einschaltung des Stadtrechnungshofes an.

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Kommentare

So wird es nichts mit der Absoluten

Wien ist eine lebenswerte Stadt. Die SPÖ wird nicht müde, das zu betonen. Und es ist ja auch nicht falsch, tatsächlich klappt in Wien einiges, wonach andere Städte lechzen.

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