Ungarns populärer Landraub

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Österreichs Bauern in Ungarn zittern um ihre Zukunft. Wer nach 1994 gekommen ist, muss im Mai gehen. Österreich gibt sich kampflustig. Leicht haben es ausländische Bauern bei uns aber auch nicht.

Wien. Seinen ersten offiziellen Besuch auf der Grünen Woche in Berlin hat sich Österreichs Landwirtschaftsminister, Andrä Rupprechter (ÖVP), wohl auch ruhiger vorgestellt. Statt die Journalisten nur elegant durch die Österreich-Abteilung auf der weltgrößten „Delikatessenschau“ zu führen, muss der Tiroler ein heikles Thema anpacken: den Streit der heimischen Bauern mit Ungarn. Sie klagen über „blanke Enteignung“, seit Ungarns rechtskonservativer Premier, Viktor Orbán, ein neues Bodengesetz durchgesetzt hat.

Aber was ist dran an der Aufregung? Werden heimische Bauern wirklich aus Ungarn verbannt? „Die Presse“ beantwortet die wichtigsten Fragen.

1. Was ist der Grund für die Aufregung? Werden Österreichs Landwirte in Ungarn von ihrem Grund und Boden vertrieben?

Seit Viktor Orbán zum Kampf gegen „in- und ausländische Bodenspekulanten“ aufgerufen hat, sind die ausländischen Bauern im Land in höchster Alarmbereitschaft. Ein neues Bodengesetz soll es Ausländern faktisch unmöglich machen, ungarisches Land zu kaufen. Aber auch jene, die schon im Land sind, könnten ihren Grund oder ihre Nutzungsrechte verlieren. Das Gesetz ist der Ersatz für ein Ende April auslaufendes Moratorium der EU, durch das Ungarn den Landkauf durch Nichtungarn bisher beschränken konnte.

2. Wie viele Landwirte aus Österreich sind im Nachbarland tätig? Müssen sie alle Anfang Mai ihren Grund räumen?

Nach Schätzungen des Landwirtschaftsministeriums bewirtschaften rund 200 österreichische Bauern 200.000 Hektar Land in Ungarn, das sind vier Prozent der ungarischen Agrarfläche. Nicht alle von ihnen sind von dem neuen Gesetz betroffen. Wer nach dem Zerfall des Ostblocks 1989/90 schnell genug billig Äcker in Ungarn gekauft hat, muss nichts befürchten. Erst 1994 erließ Ungarn ein Gesetz, das den Landkauf durch Nichtungarn verbot – aber nicht unmöglich machte. Mit einem Dickicht an Verträgen haben es österreichische Bauern geschafft, auch danach in Ungarn tätig zu werden. Diese hat Orbán im Visier.

3. Geht es dabei nur um die berüchtigten „Taschenverträge“, bei denen lokale Strohmänner halfen, das Kaufverbot zu umgehen?

Nein. Eine Zeit lang war die Konstruktion sehr beliebt: Ein Ungar kauft anstelle eines Ausländers ungarische Äcker. Der Ausländer bezahlt und hat dafür einen Vertrag in der Tasche, der ihn zum Eigentümer machen sollte, wenn die restriktiven Bestimmungen 2014 fielen. Diese Verträge sind illegal. Der jüngste Streit ist aber rund um sogenannte Nießbrauchverträge entflammt, erklärt Ernst Zimmerl, Österreichs Agrarattaché in Budapest. Das sind Pachtverträge, die zwischen 1994 und 2001 entweder auf sehr lange Zeit oder bis zum Ableben einer natürlichen oder juristischen Person geschlossen wurden und deren komplette Pacht im Voraus bezahlt wurde. Alle Österreicher, die aufgrund eines solchen Vertrags in Ungarn landwirtschaftlich tätig sind, sollen mit 1. Mai ihre Nutzungsrechte verlieren. Anders als bei den „Taschenverträgen“ sind diese Verträge nicht geheim, sondern sogar im ungarischen Grundbuch eingetragen. Im Jahr 2010 entschied der Oberste Gerichtshof Ungarns, dass ein derartiger Vertrag legal sei.

4. Ähnlich wie Ungarn soll es auch Österreich Nichtbauern oder Ausländern sehr schwer machen, Agrarland zu kaufen. Stimmt das?

„Ungarn macht im Grunde dasselbe wie Österreich“, sagt Christoph Hartig, Österreicher und stellvertretender Obmann des Ungarischen Vereins der Guts- und Immobilienbesitzer. Das Landwirtschaftsministerium weist die Kritik zurück. Grundverkehr sei erstens Ländersache, zweitens sei die Situation nicht vergleichbar. In manchen Bundesländern ist es für Nichtlandwirte zwar tatsächlich unmöglich, Äcker zu kaufen. Allerdings seien die Regeln für alle EU-Bürger gleich, betont das Ministerium: „Österreich hält sich an EU-Recht und greift in keinen bestehenden Vertrag ein“, so eine Sprecherin.

5. Was kann Österreich im Streit mit Ungarn tun? Kann sich das Land auf Schützenhilfe aus Brüssel verlassen?

Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter will seinen ungarischen Amtskollegen, Sándor Fazekas, am Rande der Grünen Woche zur Rede stellen. „Zehn Jahre nach dem EU-Beitritt muss auch in Ungarn EU-Recht gelten“, zürnt der Minister. Sollte das Gespräch keine Lösung bringen oder gar platzen, will er über den EU-Rat der Landwirtschaftsminister Druck ausüben. Bisher hat Brüssel in Sachen Ungarn aber eher lax reagiert. Auch die Tatsache, dass Orbán ausländische Banken, Entsorgungsfirmen, Energie- und Handelskonzerne mit Sondersteuern und Enteignungen aus dem Land ekelt, hat zu keinen ernsthaften Reaktionen aus Brüssel geführt. Auf ein baldiges Einsehen Orbáns kann Österreich nicht bauen. Im Frühjahr stehen in Ungarn Wahlen an. Bis dahin ist Populismus Trumpf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2014)

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