Ungarn: „Enteignung, die nicht akzeptabel ist“

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Auf der Grünen Woche in Berlin wollte Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter sein ungarisches Gegenüber auf die drohende Enteignung von österreichischen Bauern in Ungarn ansprechen.

Berlin. Es gibt auch angenehme Termine für einen Landwirtschaftsminister. Zum Beispiel auf der Grünen Woche in Berlin, der größten Agrarmesse der Welt. Zumindest im Österreich-Pavillon sowie auf den am Rande stattfindenden Abendveranstaltungen ist Österreichs neuer Agrarminister Andrä Rupprechter der Star. Am Freitag, noch vor der offiziellen Eröffnung, machte der Tiroler den obligatorischen Rundgang, den Österreichs oberster Agrarvertreter dort jedes Jahr zu absolvieren hat. Und überreichte – umzingelt von einer Fotografenmeute und einer Abordnung österreichischer Agrarfunktionäre – seinem deutschen Gegenüber Hans-Peter Friedrich (CSU) und dem Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit je einen Rucksack voll Speck. Aus Österreich, versteht sich.

Der unangenehme Teil der Übung blieb Rupprechter vorerst erspart. Eigentlich wollte er sich auf der Grünen Woche auch mit dem ungarischen Agrarminister Sándor Fazekas treffen, um ihn in einer delikaten Angelegenheit zur Rede zu stellen: Premierminister Viktor Orbán hat zum Kampf gegen „Bodenspekulanten“ aufgerufen – und das betrifft auch österreichische Bauern. Ein neues Gesetz soll es Ausländern praktisch verbieten, in Ungarn Land zu kaufen. Auch jenen, die schon Land bearbeiten, könnten die Nutzungsrechte dafür entzogen werden – oder gar die Grundstücke. Betroffen sind laut Schätzungen 200 österreichische Bauern mit rund 200.000 Hektar Fläche.

Aber Fazekas „hat es vorgezogen, nicht zu kommen, was ich sehr schade finde“, so Rupprechter. Eher zufällig traf er im Ungarn-Pavillon den für Lebensmittel zuständigen ungarischen Staatssekretär, ein Treffen mit dem Minister zu einem unbestimmten Zeitpunkt wurde vereinbart. Er werde jedenfalls das Gespräch suchen, den Minister auch nach Wien einladen – und notfalls auch selbst nach Ungarn reisen, um die Angelegenheit zu diskutieren, so Rupprechter vor Journalisten. „Das ist eine Art der Enteignung, die nicht akzeptabel und nicht konform mit EU-Recht ist.“ Er werde im EU-Rat Druck machen und auch die EU-Kommission nicht aus der Pflicht lassen, kündigte Rupprechter an. Das habe er EU-Agrarkommissar Dacian Cioloş schon gesagt.

Cioloş: Exportsubventionen einstellen

Auch dieser hatte seinen Auftritt. Cioloş sprach sich dafür aus, die umstrittenen Exportsubventionen für EU-Agrarprodukte in Entwicklungsländern einzustellen. „Das brauchen wir nicht, unsere Produkte sind wettbewerbsfähig“, so Cioloş auf einer Pressekonferenz am späten Donnerstagnachmittag. In der Vergangenheit seien diese Subventionen eingesetzt worden, „um künstlich die Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten“. In den letzten Jahren sei dieses Instrument aber immer weniger genützt worden.

Die Exportstützungen stehen in der Kritik, weil Agrarproduzenten aus der EU damit ihre Produkte billig in Entwicklungsländer verkaufen können und so lokalen Produzenten, etwa in Afrika oder Asien, das Wasser abgraben. Stattdessen will Cioloş künftig mehr Geld einsetzen, um EU-Produkte im Ausland bekannt zu machen. Das Budget für diese Absatzförderung betrage derzeit 60Mio. Euro im Jahr – Cioloş will es bis 2020 verdreifachen.

Am Freitag um zehn Uhr wurde die Grüne Woche schließlich auch offiziell eröffnet. Sofort nach Einlass fluteten Massen hungriger Menschen das Gelände. Für die internationale Agrarbranche ist die Grüne Woche das Meet & greet des Jahres – für das Publikum vor allem ein riesiges Fressgelage. 1650 Aussteller aus 70 Ländern präsentieren sich hier – viele haben vor allem Kulinarisches im Gepäck. Auch die Bierzapfanlagen waren am Vormittag schon voll im Einsatz. Die Veranstalter rechnen mit mehr als 400.000 Besuchern an zehn Tagen. Kein Klischee bleibt aus: Bratwurst aus Mecklenburg-Vorpommern, Krimsekt aus der Ukraine, Parmesan, Pesto und Cappuccino aus Italien. Und sehr viel Speck aus Österreich.

KEIN TREFFEN

Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) wollte bei der Grünen Woche dieser Tage in Berlin nicht nur Speck aus Österreich verteilen, sondern vor allem seinen ungarischen Amtskollegen Sándor Fazekas treffen. Das Gespräch sollte den Kampf von Premier Orban gegen „Bodenspekulanten“ zum Thema haben. Dieser betrifft nämlich vor allem auch österreichische Bauern. Aber Fazekas kam nicht zum Treffen mit Rupprechter. [ Fabry ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2014)

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