Brauer über das Alter: „Die Ego-Suche nimmt ab“

 Arik Brauer
Arik Brauer(c) Michaela Bruckberger
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Zu seinem 85er stellt Arik Brauer seine neue Haggada aus. Und spricht über das Alter, späte Anerkennung und sein Verhältnis zum Judentum.

Ruhig und ein wenig verwunschen liegt die Gründerzeitvilla in einer leicht ansteigenden Gasse im Cottageviertel. Im Vorgarten blickt einem ein tönernes orangefarbenes Meereswesen mit Hühnerkopf entgegen. Arik Brauer öffnet die Tür. Anlass des Besuchs: sein 85. Geburtstag (der schon vorbei ist). Und anlässlich dessen seine neue Ausstellung (ab Mittwoch im Jüdischen Museum zu sehen).

Nach mehr als 30 Jahren hat Brauer zum zweiten Mal eine Haggada illustriert – jenes Buch, das zum Pessachfest vom Auszug der Juden aus Ägypten erzählt. „Ich wollte das gern noch einmal machen“, sagt Brauer, als Maler Mitbegründer der Wiener Schule des Phantastischen Realismus. „Weil ich sehen wollte, wie ich das jetzt als älterer Mensch begreife und formuliere. In der Darstellung gibt es große Möglichkeiten – weil die Texte ja Phantastischer Realismus sind, wenn man so will.“

War das Malen diesmal anders? „Nicht prinzipiell“, sagt Brauer, mit erstaunlicher Energie in der Stimme. „Der große Unterschied im Zugang ist, ob man das als Tatsache glaubt oder es als geistiges Phänomen versteht. Ich verstehe es natürlich als Phänomen: den Schritt in die Freiheit aus der Sklaverei. Und wohin geht's? In die Wüste. Das hat starke symbolische und reale Bedeutung. Die Freiheit, das is net einfach.“

„Wir singen die Lieder“

Aus seinem Verhältnis zum Judentum macht Brauer kein Geheimnis. „Weder ich noch meine Familie sind religiös in einem Glaubenssinn, der das Wort als Tatsache versteht. Aber für uns alle, auch für meine Kinder und Enkel, ist das ein Teil unserer Zivilisation. Wir lesen auf Hebräisch, wir singen die Lieder. Sie sind ein enormes Gut.“ Brauer ist Mitglied der Kultusgemeinde, geht „vielleicht einmal im Jahr“ hin. „Für viele Juden typisch, zu den Fastentagen, Jom Kippur. Das ist ein All-Judentreff von Wien, da gibt's hochpoetische Gebete. Aber um ehrlich zu sein, ich werd mich nie daran gewöhnen, dass die Frauen woanders sitzen müssen als die Männer. Das ist nicht meine Welt.“

Die Welt seiner Jugend, von der hat Brauer zuletzt mit seinen Abenden „A Gaude war's in Ottakring“ erzählt. Dass er Zeitzeuge der Nazi-Herrschaft ist, „das wurde ja bis zum Geht-nicht-mehr verwertet.“ Stattdessen berichtete er dabei „viel von den Dreißigerjahren an sich, von der Atmosphäre. Das ist eine Welt, die der Generation meiner Enkel völlig fremd ist. Das ist, wie wenn man von der Türkenbelagerung erzählt.“

Mit einem seiner Enkel war er an seinem Geburtstag am Stuhleck. Der Tag selbst hat für ihn wenig Bedeutung. „Das Älterwerden geht ja in Schüben, gesundheitlich und seelisch. Wenn man Dinge plötzlich nicht mehr machen kann.“ Sein ganzes Leben sei er begeisterter Alpinist gewesen. „Ich geh noch immer Ski laufen, aber ich rutsch auf der Piste hin und her, das ist kein Skilaufen für mich. Hinein ins Gebirge, dazu hab ich nimmer die Kraft.“ Das Gute sei, dass viele Dinge ihre Wichtigkeit verlieren. „Vielleicht ist das wie mit dem Fuchs und den Trauben. Aber wohl auch deshalb, weil viel mit Eros und Wichtigmacherei und Ego-Suche zu tun hat. Das nimmt natürlich ab.“

Was just steigt, ist die Anerkennung. Im Herbst zeigt das Leopold-Museum seine Arbeit. Ein Meilenstein, „wenn man weiß, welche Position unsere Art von Malerei jahrzehntelang in Österreich hatte, nämlich eine verfolgte – abgelehnt von dem, was sich selbst als Avantgarde versteht. Ich nehme das nicht nur als einen persönlichen Erfolg, sondern als Tatsache, dass die Kunstgeschichte weitermarschiert ist.“

ZUR PERSON

Arik Brauer (85) wuchs als Sohn eines litauischen Schuhmachers in Ottakring auf. Er ist Maler, Architekt, Grafiker, Bühnenautor, Dichter und Chansonnier und mit Liedern wie „Sie ham a Haus baut“ einer der Väter des Austropop. Das Jüdische Museum zeigt ab 22. Jänner seine Haggada. Zwei Abende mit Karikaturen und Gesang sind ausverkauft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2014)


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