Obamas kosmetische NSA-Reförmchen

Barack Obama
Barack Obama(c) Reuters (LARRY DOWNING)
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Der US-Präsident nennt die Überwachung der Handys unbescholtener Bürger wertvoll, will aber nach einer zweimonatigen Nachdenkpause kleine Änderungen zur Steigerung des öffentlichen Vertrauens bewirken.

Washington. Amerikas Spione werden auch künftig die Handys aller US-Bürger und unzähliger Ausländer überwachen und den Inhalt ihrer SMS-Kurznachrichten auswerten können. Geringfügige Neuerungen in den Rechtsgrundlagen für diese Geheimdienstpraxis, die tief in die Privatsphäre unbescholtener Menschen eindringt, sollen nach dem Willen von US-Präsident Barack Obama das Vertrauen der Öffentlichkeit in ihre Rechtmäßigkeit stärken.

„Amerikas Fähigkeiten sind einzigartig. Die Macht neuer Technologien bedeutet, dass es immer weniger technische Grenzen dafür gibt, was wir tun können. Das verpflichtet uns dazu, uns zu fragen, was wir tun sollen“, sagte Obama am Freitag in Washington bei der Vorstellung seiner Überlegungen zur Reform der Datenspionage durch die National Security Agency (NSA).

60 Tage Nachdenkfrist

Der Präsident stellte am Freitag drei wesentliche Vorschläge zur Debatte. Erstens werde die NSA ihre riesige Mobilfunk-Datenbank in den nächsten 60 Tagen nur nach vorheriger Genehmigung durch das Geheimdienstgericht, den sogenannten Foreign Intelligence Surveillance Court (Fisc), durchstöbern. Die NSA müsse in diesen zwei Monaten konkrete, belastbare Verdachtsmomente gegen jene Personen vorlegen, deren Namen, Nummern, angerufene Nummern und Anrufzeiten – die Metadaten also – sie zu Ermittlungszwecken verknüpfen wolle.

Zudem dürfe sie in diesen 60 Tagen nur jene Nummern in ihre computerisierte Suche einbeziehen, die der jeweilige Verdächtige angerufen hatte oder von denen er angerufen wurde, sowie all jene Nummern, mit denen diese Mobiltelefone in Kontakt waren. Derzeit bekommt die NSA alle drei Monate eine Blankovollmacht vom Fisc, nach freiem Ermessen alle Nummern in ihrer Datenbank miteinander zu kombinieren. Wenn also beispielsweise ein Verdächtigter bloß 100 Nummern anruft, jede dieser Nummern ebenfalls 100 und jede dieser Nummern noch einmal 100 (diesen dritten Sprung wird die NSA nun nicht mehr machen), erfasst die NSA in einer einzigen Suchanfrage eine Million Mobilfunkbenutzer, so gut wie alle davon unbescholten.

Finger weg von Merkels Handy

Zweitens sollen die Handys befreundeter ausländischer Staats- und Regierungschefs künftig nicht mehr abgehört werden. Bekanntlich hat die Nachricht, dass das Mobiltelefon der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel seit Jahren von der NSA belauscht und ihre SMS gelesen wurden, in Deutschland für einen Sturm der Empörung gesorgt. Als bekannt wurde, dass die NSA dies auch mit Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff tut, kam es zu einer schweren diplomatischen Verstimmung, die dem US-Luftfahrtunternehmen Boeing schadete: Brasiliens Luftwaffe sah vom Kauf von Boeing-Kampfflugzeugen ab und kaufte schwedische Gripen.

Drittens schlägt der amerikanische Präsident einige verfahrensrechtliche Neuerungen vor, die sicherstellen sollen, dass das Interesse der Bürger an Wahrung ihrer Privatsphäre gesichert ist. So sollen Telekomunternehmen, die durch „National Security Letters“ zur Herausgabe von Kundendaten und kompletter Verschwiegenheit verpflichtet werden, künftig binnen fünf Jahren über diese Anordnungen zur Zusammenarbeit mit FBI und NSA an die Öffentlichkeit berichten dürfen. Weiters sollen Vertreter von High-Tech-Unternehmen und Bürgerrechtsgruppen künftig die Verfahren vor dem Fisc beobachten und gegebenenfalls als Fürsprecher der Öffentlichkeit intervenieren dürfen. Diese Verfahren, bei denen die Spionageanfragen der NSA verhandelt werden, bleiben aber auch künftig geheim.

Wer soll Handy-Daten halten?

In seiner Rede blieb Obama aber die Antwort auf die wichtigste Frage schuldig: Wer wird die Metadaten halten, wenn die gegenwärtige Genehmigung für die NSA in 60 Tagen ausläuft? Obama sagte nur, er werde die Speicherung „in ihrer derzeitigen Form“ beenden; die Mobilfunkfirmen oder ein von ihnen zu gründendes Konsortium sollten sie halten. Er machte aber auch klar, den Geheimdiensten ihr mächtiges Werkzeug nicht zerstören zu wollen: „Wir können Terrorangriffe oder Cyberattacken nicht ohne eine Fähigkeit, digitale Kommunikationen zu durchdringen, verhindern.“

AUF EINEN BLICK

Kosmetische Reformen schlägt US-Präsident Obama für die Datenspionage durch den Geheimdienst NSA an. In den nächsten 60 Tagen soll die NSA nur nach Einzelfallerlaubnis durch das Geheimdienstgericht Fisc Handydaten durchstöbern dürfen. Danach sollen Justizminister und Direktor für nationale Sicherheit vorschlagen, wie der Mobilfunk künftig überwacht werden soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2014)

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