Vordernberg: Schubhaft als Wirtschaftszweig

Archivbild: Ein Mann im Schubhaftzentrum Vordernberg
Archivbild: Ein Mann im Schubhaftzentrum VordernbergAPA/ERWIN SCHERIAU
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Damit die Vordernberger da bleiben, hat die steirische Gemeinde ein Zentrum für Menschen gebaut, die Österreich verlassen müssen. Schubhaft als Geldquelle? Ein Besuch in Vordernberg.

"Das“, sagt Georg Wakonig und öffnet die schwere Tür mit den grünen Matten, „ist die Gummizelle.“ Die sei für „Bewohner, die sich selbst gefährden“. „Und das“, erklärt der Polizist, nun stellvertretender Kommandant des Anhaltezentrums, und öffnet nebenan, „das ist die Fliesenzelle“ – für Insassen, die andere gefährden. Die zwei Zellen gehören zum Sonderbereich für „Problemfälle und Disziplinierungsmaßnahmen“. Andere Räume sind freundlicher. Die Besucherzone mit der Glasfront, runden Tischen, bunten Sesseln.

Ein Teil ist ein wenig abgetrennt. „Wenn jemand Besuch von seinen Kindern hat, können sie hier spielen. Vielleicht muss sich ja jemand hier auch verabschieden“, erklärt Wakonig beim kleinen Rundgang nach dem offiziellen Festakt. Vorigen Mittwoch wurde das Zentrum feierlich, mit Blasmusik, Segnung, Hymnen und Brötchen, eröffnet.

Obwohl es kein Ort ist, an dem einem zum Feiern zumute wäre. Walter Hubner, der SPÖ-Bürgermeister der obersteirischen Gemeinde, aber freut sich, dass das Zentrum fertig ist. „Es ist ein besonderer Tag für die Gemeinde, ich fühle mich bestätigt.“ Schließlich hat er jahrelang daran gearbeitet.

Für Vordernberg sind die Schubhäftlinge, die hier ab Montag die letzten Wochen vor ihrer Abschiebung verbringen werden, ein Hoffnungsschimmer. Ein neuer Wirtschaftszweig für eine Gemeinde, mit der es bergab gegangen ist. Es ist nicht lange her, da schrumpfte die Bevölkerung so schnell wie nirgendwo sonst. 1055 Menschen leben hier heute. Der Ortskern ist untertags menschenleer. Die Gasthäuser sind geschlossen, das Lebensmittelgeschäft macht Mittagspause, die Raika sperrt seit November gar nicht mehr auf. Ein malerisches Örtchen, das stirbt. In den 1960er-Jahren, erzählt der Bürgermeister, da war das anders. 2000 Menschen haben einmal hier gelebt. 250 von ihnen arbeiteten am Erzberg, ein paar hundert auf Bahnstrecken, die nun eingestellt sind. „Über die Jahre sind 450 Jobs weggefallen, die Leute sind weggezogen, die Mittel aus dem Finanzausgleich weniger geworden: in wenigen Jahren um 250.000 Euro“, so Hubner. Die Kosten für die Infrastruktur sind geblieben.

Wie andere Orte bloß auf Tourismus zu setzen hätte nicht gereicht, sagt Hubner. Als vor gut fünf Jahren die Pläne des Innenministeriums bekannt wurden, ein Anhaltezentrum im Süden zu bauen, sah er seine Chance, bemühte sich um den Standort, bekam den Zuschlag, nach viel Überzeugungsarbeit auch die Zustimmung der Bevölkerung. Mit dem Argument, die Insassen würden im Zentrum eingesperrt sein, erlangte er bei einer Befragung 70 Prozent der Stimmen. Die Debatten – die FPÖ hatte Stimmung dagegen gemacht – blieben, aber das Zentrum steht.


Aufschwung durch Schubhaft. Und der Bürgermeister erwartet einen Aufschwung für die ganze Region. 69 Mitarbeiter von G4S und 55 Polizeibeamte werden dort arbeiten, die Mehrheit aus dem Bezirk Leoben. Sicherheitsgeneraldirektor Konrad Kogler spricht von einer Wertschöpfung von 13 Mio. Euro, von 180 Jobs. Zumindest dann, wenn man die Umwegrentabilität – die Versorgung der Insassen und Aufträge für regionale Betriebe – miteinrechnet. Er spricht von einer Win-win-win-Situation. Für das Ministerium, für die Region. Den „Leuten, die angehalten werden“, denen könne man so einen „modernen Vollzug“ garantieren.

Im Ort sieht man das nicht so positiv. Solange man von „diesen Leuten“ nichts sehe, sei ihr das neue Zentrum egal, sagt eine Frau auf dem Hauptplatz. An der Bar des Cafés stehen zwei Bürger, lachen, reden vom „Fünfsternehotel für Asylanten“, davon, dass „für die“ Betten auf Betonböden auch gereicht hätten. Stimmen, wie man sie häufig hört. Solange die Tore geschlossen sind, sei es in Ordnung. Dass die Insassen es „schöner haben als wir daheim“, wie eine Frau am Tag der offenen Tür, an dem hunderte Anrainer gekommen waren, meinte. Kaum Verständnis gab es indes für Demonstranten, die gegen Schubhaft und Abschiebungen protestierten.

„Natürlich ist es für die Angehaltenen keine schöne Situation, wenn sie wohin müssen, von wo sie weg wollten“, sagt Hubner. Dass seine Gemeinde nun von Abschiebungen lebt? „Es gibt eben Gesetze, und die müssen exekutiert werden.“

Ohne das neue Anhaltezentrum, sagt Bürgermeister Walter Hubner, wäre es mit der kleinen Gemeinde nahe Eisenerz schnell bergab gegangen.
Ohne das neue Anhaltezentrum, sagt Bürgermeister Walter Hubner, wäre es mit der kleinen Gemeinde nahe Eisenerz schnell bergab gegangen. (c) Jenis

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2014)

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