Konjunktur: China kommt zur Ruhe

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Die chinesische Wirtschaft erlebt die längste Phase schwächeren Wachstums seit 35 Jahren. Katastrophal ist das aber nicht, sagen Ökonomen. Im Gegenteil: In den vergangenen Jahren ist das Land zu schnell gewachsen.

Peking. Lange war die Volksrepublik China das Land des – oft zweistelligen – Turbowachstums. Diese Zeit ist nun vorbei. Um 7,7 Prozent ist Chinas Wirtschaft im vergangenen Jahr gewachsen, berichtete das chinesische Statistikamt am Montag. Genauso viel wie im Jahr zuvor.
Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt erlebt damit ihre längste Wachstumsschwäche seit Beginn der Reformen vor 35 Jahren. Eine Phase, die weiter anhalten soll. Einige Ökonomen gehen davon aus, dass sich das chinesische Wirtschaftswachstum in diesem Jahr noch weiter abschwächen könnte.

Vor allem der Anstieg der Sachinvestitionen in Maschinen und Fabriken hat sich deutlich abgekühlt. Wuchsen sie 2012 noch um 20,7 Prozent, waren es im vergangenen Jahr 1,1 Prozentpunkte weniger. Auch die Industrieproduktion ist 2013 mit einem Plus von 9,7 Prozent nicht mehr ganz so schnell gewachsen. Im Jahr zuvor war der Zuwachs noch zweistellig.

Weniger Wachstum, mehr Geld

Ökonomen verweisen jedoch darauf, dass weniger Wachstum in China keineswegs schlecht ist. Im Gegenteil: Steven Barnett vom Internationalen Währungsfonds (IWF) geht davon aus, dass das langsamere Wachstum ein höheres Einkommen bedeute. Warum? Die chinesische Führung setze damit nicht mehr wie in den Jahren zuvor auf kurzfristige Impulse, sondern sei um ein „ausgewogenes und nachhaltiges Wachstumsmodell“ bemüht. Das werde langfristig den Lebensstandard erhöhen, sagt Barnett: „Anstatt uns zu sorgen, sollten wir die Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft begrüßen.“

Die chinesische Führung hatte 2009 ein gigantisches Konjunkturpaket geschnürt. Sie wollte verhindern, dass das bis dahin extrem von Exporten abhängige Land mit in den Sog der Weltfinanzkrise gezogen wird. Das gelang ihr auch, indem sie enorm viel Geld vor allem in die Bauwirtschaft pumpte.

Die Folge sind nun gigantische Überkapazitäten. Nicht nur, dass in vielen Teilen des Landes Geisterstädte entstanden sind. Die Überkapazitäten zeigen sich vor allem in der Stahlindustrie: Allein die Provinz Hebei, die die Stadt Peking umschließt, hat in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres mit 314 Millionen Tonnen so viel Stahl und Eisen hergestellt, wie sämtliche EU-Staaten zusammen. Das entspricht dennoch gerade einmal einem Drittel der gesamten chinesischen Stahlproduktion. Doch so viel Stahl benötigt auch China in absehbarer Zeit nicht.

Überkapazitäten gibt es zudem bei Zement, Aluminium, Glas und im Schiffsbau. Vor allem die energieintensiven Stahl- und Aluminiumfabriken, zumeist mit Kohle befeuert, sind die Hauptverursacher für den schweren Smog in Peking und anderen chinesischen Großstädten. Auch aus diesem Grund hat die chinesische Regierung vor einigen Wochen verkündet, die Stahlproduktion bis 2017 um elf Prozent zu drosseln.

Der in Peking lebende Ökonom Andrew Batson vom Wirtschaftsforschungsinstitut Dragonomics hält es auch aus einem weiteren Grund für „unausweichlich“, dass Chinas Wirtschaft nach Jahren zweistelliger Wachstumsraten zur Ruhe kommt. Der gesamte chinesische Finanzsektor ist aufgebläht. Im Zuge der Finanzkrise hatte Chinas Führung im Jahr 2009 die ihr unterstellten Banken angewiesen, die Kreditvergabe zu lockern. Die Banken übertrieben es damit jedoch. Lokalregierungen, Staatsunternehmen, aber auch viele Privatbetriebe haben zu viel investiert. Zahlreiche neue Kongresshallen, die keine Verwendung finden, zeugen von diesen Fehlinvestitionen. Nun werden die Banken angehalten, ihre Bilanzen zu säubern, sagt Batson. Und das, so der Ökonom, habe zwangsläufig Auswirkungen auf die Realwirtschaft.

Auf einen Blick

Chinas Wirtschaft ist im vergangenen Jahr zwar um 7,7 Prozent gewachsen, die Zuwachsrate ist damit aber so gering wie seit 1999 nicht mehr. Dass sich das Wachstum abschwächt, könnte aber auch Vorteile haben, da die Regierung in Peking anstatt auf kurzfristige Impulse nun eher auf ein „nachhaltiges Wachstumsmodell“ setzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2014)

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