Der in den USA lebende Prediger wirft dem türkischen Premier vor, den Weg demokratischer Reformen verlassen zu haben und deutet an, die islamisch-konservative AK-Partei bei den nächsten Wahlen nicht mehr zu unterstützen.
Er galt lange als eine Art graue Eminenz hinter dem türkischen Premier Recep Tayyip Erdogan und dessen AK-Partei und war jedenfalls ihr wichtigster Unterstützer: Der einflussreiche Prediger Fethullah Gülen. Nun hat sich der Chef der islamischen "Hizmet"-Bewegung offenbar endgültig von Erdogan losgesagt.
Erdogan habe den Weg der demokratischen Reformen verlassen, sagte Gülen der türkischen Ausgabe des "Wall Street Journal" vom Dienstag. Er kritisierte zudem die Massenversetzungen von Polizisten und Staatsanwälten nach den jüngsten Korruptionsvorwürfen gegen die
Regierung.
Erdogan sieht Komplott hinter Enthüllungen
Im Zuge der Ermittlungen waren unter anderem die Söhne von drei Ministern festgenommen worden, weitere Regierungsmitglieder gerieten ins Zwielicht. Es ging um Schmiergeldzahlungen bei Bauaufträgen und illegale Geschäfte mit dem Iran. Die Regierung hat darauf hunderte Polizisten versetzt beziehungsweise leitende Polizeibeamte ihres Amtes enthoben und schwere Vorwürfe gegen die Justiz erhoben. Erdogan sieht die Korruptions-Vorwürfe als Teil eines Komplott Gülens, was die "Hizmet"-Bewegung zurückweist.
Der 72-jährige Gülen, der seit 1999 in den USA lebt, hat in der Türkei Millionen Anhänger. In dem Interview deutete er an, dass diese in den kommenden Wahlen nicht mehr wie bisher Erdogans Regierungspartei AKP unterstützen werden. Es komme bei der Wahlentscheidung auf Werte wie Demokratie, Menschen- und Freiheitsrechte sowie Transparenz an, sagte er. Was für Auswirkungen seine Drohung hat, wird sich bei den kommenden Kommunalwahlen zeigen.
(APA/AFP)