Experte: Wien schädigt den Fiskus

Amtshaus Simmering: Hier verbringt ein Angestellter der Wiener Netze bis zu 40 Prozent seiner Dienstzeit. Als Politiker.
Amtshaus Simmering: Hier verbringt ein Angestellter der Wiener Netze bis zu 40 Prozent seiner Dienstzeit. Als Politiker.Die Presse
  • Drucken

Mitarbeiter der „Wiener Netze“ arbeiten bis zu 40 Prozent ihrer Dienstzeit als Politiker. Finanzrechtler Doralt sagt: „Das ist verdeckte Gewinnausschüttung“. „Wiener Netze“ widerspricht.

Wien. Der Parteiapparat nahm rasch Fahrt auf. Als „unfassbaren Artikel" und „Diffamierung politischer Arbeit" bezeichneten Funktionäre der Wiener SPÖ am vergangenen Freitag eine Veröffentlichung der „Presse". Der Bericht hat zuvor transparent gemacht, dass ein Simmeringer Bezirksrat der Partei 40 Prozent seiner Arbeitszeit anstatt in einem Betrieb der Stadt mit politischer Arbeit für Bezirk und Partei verbringt. Bei vollen Bezügen. Bis in den Spätsommer hinein mit dem Dienstwagen des Unternehmens.

Wenige Tage später bekommt die von der Opposition weidlich ausgeschlachtete Affäre eine andere Dimension. Der prominente (und inzwischen emeritierte) Wiener Finanzrechtsprofessor Werner Doralt bewertet die Konstellation als „problematisch" und sagt: „Das, was hier vorliegt, ist eine klassische verdeckte Gewinnausschüttung." Geschädigter? „Der Fiskus."

Von verdeckter Gewinnausschüttung ist normalerweise dann die Rede, wenn ein Unternehmen Aufwendungen für gesellschaftsfremde Zwecke tätigt und diese nicht in die Bemessungsgrundlage für die auf Gewinne fällige Körperschaftsteuer miteinberechnet. Bei den Wiener Netzen, die die Infrastruktur für Strom und Gas betreiben, ist die Sachlage so: Mit der Ausgliederung aus dem Magistrat in ein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen mit den Stadtwerken - und damit der Stadt - als Eigentümer wurden auch Beamte und Vertragsbedienstete übernommen. Ganz ähnliche Arbeitsverhältnisse gibt es auf Bundesebene, beispielsweise bei A1 - der ehemaligen Telekom - oder bei der Post.

Für eben diese Gemeindebediensteten gilt nach wie vor die Dienstordnung der Stadt. Sie räumt ihnen das Privileg ein, während der Arbeitszeit und bei vollen Bezügen politischen Tätigkeiten (Gemeinderat, Bezirksrat etc.) nachzugehen. Im „erforderlichen" Ausmaß. So steht es im Gesetz.

„Wurden nicht beanstandet"

Für Mitarbeiter, die im Magistrat arbeiten, ist das laut Doralt unbedenklich. Für Beamte, deren Einkommen von einer privatrechtlichen GmbH bezahlt werden und deren Freistellungen für - siehe oben - betriebsfremde Tätigkeiten nicht der Körperschaftsteuer unterworfen sind, müsse sich jedoch das Finanzamt interessieren. In welchem Ausmaß? Die Wiener Netze geben an, mehrere, wenn auch „nicht besonders viele" Mitarbeiter für politische Aufgaben freizustellen. Genaue Zahlen sind nicht bekannt. Ebenfalls nicht bekannt ist die Zahl jener Beamten, die analoge Freistellungen bei anderen städtischen Betrieben (Stadtwerke, Wien Energie, Wiener Linien etc.) genießen.

Bei den Wiener Netzen widerspricht man Doralts Rechtsauslegung. „Nach Einholung von Expertenmeinungen wird unsere Ansicht gestützt, dass Freistellungen im öffentlichen Interesse kein verdeckter Gewinn sind. Eine daraus ableitbare Körperschaftsteuerpflicht ist daher unseres Erachtens nicht gegeben. Die Wiener Netze werden laufend kontrolliert. Bei all diesen Prüfungen wurde unsere Vorgehensweise nicht beanstandet."

Auch die seit Jahrzehnten in der Stadt regierende SPÖ sieht keinen Anlass zum Handeln. Und schon gar nicht, so der Klubvorsitzende im Gemeinderat, Rudolf Schicker, sei die Angelegenheit ein Skandal seiner Partei. Funktionären der anderen Fraktionen stünden die gleichen Privilegien zu. Die Vorsteherin des neunten Bezirks (Alsergrund), Martina Malyar, geht sogar noch einen Schritt weiter. Da es immer schwieriger werde, engagierte Leute als Bezirksräte zu bekommen, sollten „die Regelungen für Beamte daher auch für die Privatwirtschaft gelten".

Bezirksräte, die in Unternehmen privater Eigentümer arbeiten, müssen sich für ihre Tätigkeit in der Regel freinehmen. Eine Regelung, wie sie sich stark vereinfacht gesagt auch der grüne Klubchef David Ellensohn für Beamte wünscht. Dafür steht den Lokalpolitikern in Wien eine monatliche Entschädigung in der Höhe von 417,60 Euro zu. Für jede Ortsverhandlung gibt es 45,90 Euro extra.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Wien

Bezirksrat in der Dienstzeit: Hitzige Debatte

Ein von der „Presse" aufgezeigter Fall im Bezirk Simmering erhitzt die Gemüter. Die SPÖ sieht keinen Skandal. Opposition und Koalitionspartner äußern jedoch Kritik.
Archivbild: SPÖ-Feier zum "Tag der Arbeit" vor dem Wiener Rathaus.
Wien

Wien: Wenn Stadt und Partei Eins werden

Eigentlich arbeiten Bezirksräte in ihrer Freizeit und für eine geringe Aufwandsentschädigung. Ein SPÖ-Mandatar tut das während der Dienstzeit für eine städtische Firma. Bei vollen Bezügen. Er dürfte nicht der einzige sein.
Kommentare

So wird es nichts mit der Absoluten

Wien ist eine lebenswerte Stadt. Die SPÖ wird nicht müde, das zu betonen. Und es ist ja auch nicht falsch, tatsächlich klappt in Wien einiges, wonach andere Städte lechzen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.