Dschungelcamp: Im Lager der Gescheiterten

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In ihrer achten Staffel ist die RTL-Sendung längst ein Massenphänomen. Verständlich: Ein Blick in diesen Dschungel ist ein Blick in die Seele der Gesellschaft.

Auf einmal tun's (fast) alle: „Dschungelcamp“ sehen. Marktanteile von über 40 Prozent bei der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen in Deutschland; Omnipräsenz in sozialen Netzwerken, wo Freunde und Freundesfreunde sich in Diskussionen darüber ergehen, wie blöd Larissa jetzt wirklich ist und ob „der Wendler“ tatsächlich alles nur gespielt hat...

In seiner achten Staffel ist das „Dschungelcamp“ wirklich zum Massenphänomen geworden. Vorbei die Zeiten, in denen das Format, in dem elf Z-Prominente zwei Wochen in ein Camp gesperrt werden und dort Mut- und Ekelproben bestehen müssen, als zynisches Trash-TV gebrandmarkt und gar vor die Landesmedienanstalt gezerrt wurde. Auch der soziale Memodienst Twitter, der in Österreich vorwiegend von Gut-, Besser- und Bestverdienern genutzt wird, ist übervoll mit Kommentaren zu dem, was (zu) lange „Unterschichtenfernsehen“ geschimpft wurde und nun in allen sozialen Schichten punktet. Wie es Stefan Petzner in einem Tweet auf den Punkt gebracht hat: „Sinn der Sendung ist ja, Spaß zu haben. Und den hab ich.“

Mit ein Grund dafür dürfte sein, dass Petzners Landsfrau Larissa Marolt, Gewinnerin der Castingshow „Austria's Next Topmodel“, von Anfang an Hauptdarstellerin des australischen Busch-Stadels war. Die Tochter des Ex-FP-Politikers Heinz Anton Marolt erscheint ausgesprochen verhaltenskreativ: Hysterische Lachanfälle, Auszucker, Weinkrämpfe und verbale Preziosen wie „Wenn ich mir das Genick brich, verklag ich RTL“ garantieren Unterhaltungswert und beweisen einmal mehr, dass das „Dschungelcamp“ vor allem eins ist, ein perfekt produziertes Fernsehformat. Wurden die bissigen bis untergriffigen Kommentare des Moderatoren-Duos Sonja Zietlow und Daniel Hartwich häufig als Zynismus gedeutet, gelten sie mittlerweile als griechischer Choral, der die diversen Selbstdarstellungen und -entäußerungen gewitzt kommentiert: Sie machen die Sendung als augenzwinkerndes und ziemlich postmodernes Happening lesbar, in dem so intelligent und subversiv wie ehrlich über den Ruhm und seine Vergänglichkeit hergezogen wird.

Von Castingshows Ausgespuckte

Das Lager ist ein Sammelbecken von Gescheiterten: jene, die von Castingshows ausgespuckt wurden, die vom Ruhm der Vergangenheit leben, die irgendwann mit irgendeiner Berühmtheit verheiratet waren; ihnen allen ist gemein, dass sie in der Medienwelt nicht überlebt haben, dass sie verwertet wurden und verarmt wieder ausgeschieden worden sind. Arme Würstchen also, die um ein paar Momente Scheinwerferlicht rittern und dafür tief in die Trickkiste greifen.

Wer noch immer glaubt, dass im Dschungel alle Masken fallen, irrt. Siehe Larissa: Die 21-Jährige kultiviert ihren bereits bei Modelshows erarbeiteten Ruf der Zicke erfolgreich, erweitert ihre Charakterfächer aktuell um penetrant ausgestellte Blödheit – verständlich, immerhin hat Castingshow-Verlierer Joey Heindle als sentimentaler Einfaltspinsel die siebte Staffel der Show gewonnen.

Einige Mitinsassen, etwa der Ex-„Tatort“-Kommissar Winfried Glatzeder, zweifeln daher schon an der Echtheit von Larissas Performance, auch da sie eine Schauspielausbildung am renommierten Lee-Strasberg-Institut absolviert hat. Dem deutschen Popsänger Michael Wendler ist es schlechter ergangen: Sein Konzept, den Dschungel zur Bewerbung seiner neuen Platte zu nutzen, wurde von Larissas Omnipräsenz sabotiert, sodass „der Wendler“, wie er sich selbst nennt, den Egotrip vorzeitig beendet hat.

So erfüllt das „Dschungelcamp“ eine Selbsttherapiefunktion innerhalb der aktuellen Medienlandschaft: Es ist die logische Konsequenz aus all den Casting- und Talentshows, die Instant-Berühmtheiten aufkochen, ein paar Monate durchlauferhitzen und dann in den Abfluss schütten. Es ist die letzte Station für die „Nonebrities“, also bekannte Menschen, bei denen sich keiner erinnern kann, weshalb sie eigentlich bekannt sind. Der Dschungel gibt ihnen die Chance, noch einmal zu punkten, noch einmal zu glänzen – und sei es, indem sie einen Tierhoden möglichst geräuschvoll zerkauen. Berühmtheit ist zur willkürlich verteilten Währung geworden, zum erstrebenswerten Ausnahmezustand in unserer überfluteten Wahrnehmungswelt. Ein Blick in den Dschungel ist ein Blick in die Seele der Gesellschaft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2014)

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