Regime stellt „Musterbürger“ vor Gericht

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Der prominente chinesische Bürgerrechtler und Korruptionsbekämpfer Xu Zhiyong deckte zahlreiche Skandale auf. Nun wird ihm in Peking wegen „Störung der öffentlichen Ordnung“ der Prozess gemacht.

Peking. Er prangerte Korruption an und deckte Skandale auf, wenn etwa ein Unternehmer vergiftete Lebensmittel unter das Volk brachte – Dinge, über die sich auch die KP-Spitze empörte. Trotzdem ist es Xu Zhiyong zum Verhängnis geworden, diese Punkte öffentlich anzusprechen. Wegen angeblicher „Störung der öffentlichen Ordnung“ wird dem Bürgerrechtler seit Mittwoch der Prozess gemacht.

Hunderte Polizisten riegelten zum Prozessauftakt das Pekinger Volksgericht weiträumig ab. Eine Gruppe europäischer und amerikanischer Diplomaten versuchte, als Beobachter an dem Verfahren teilzunehmen. Doch vergeblich: Sie mussten in einem Nebenraum warten. Journalisten wurden gar nicht erst ins Gebäude gelassen. Angehörige berichten, weder Xu noch sein Anwalt hätte zum Auftakt ein Wort gesagt – aus Protest gegen die Prozessbedingungen.

Hilfe aus dem Weißen Haus

Der 40-jährige Jusdozent gilt neben Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo als einer der bekanntesten Bürgerrechtler in China. Xu stammt aus der armen Provinz Henan, schaffte es aber an die renommierte Peking-Universität.

Bereits am Anfang seiner beruflichen Laufbahn, im Olympiajahr 2008, machte er sich einen Namen, als er den Opfern des Melaminskandals Rechtsbeistand leistete. Mehrere Unternehmer hatten die giftige Chemikalie in Milchpulver gepanscht. Hunderttausende Säuglinge erkrankten, sechs von ihnen starben. Im Jahr darauf gründete Xu mit einer Reihe von anderen Juristen, Journalisten und Universitätsprofessoren zunächst eine Organisation zur Stärkung der Verfassung. Sie wurde 2009 verboten und Xu das erste Mal verhaftet. Nachdem sich US-Präsident Obama persönlich für ihn einsetzte, kam Xu wieder auf freien Fuß, wurde aber im Oktober 2010 erneut für einige Tage eingesperrt. Es war der Tag, an dem die Verleihung des Friedensnobelpreises an den seit 2009 inhaftierten Schriftsteller Liu Xiaobo bekannt gegeben wurde. Xu ist ein Freund des Literaten.

2012 rief Xu mit anderen Mitstreitern das Netzwerk „Bewegung neuer Bürger“ ins Leben. Es stellte sich explizit auf den Boden der chinesischen Rechtsordnung und griff die Probleme auf, die die kommunistische Führung auch als Hauptübel identifiziert hat: die auf allen Partei- und Regierungsebenen grassierende Korruption. Zudem setzt sich die Initiative für die Offenlegung der Vermögen ranghoher Regierungsvertreter ein.

Doch während der seit einem Jahr amtierende Staatschef Xi Jinping Korruptionsbekämpfung zur Chefsache erklärt und den Funktionären mehr Volksnähe verordnet hat, wird das Engagement des Netzwerks nicht gern gesehen.

Im Juli 2013 wurde der Bürgerrechtler Xu erneut verhaftet. Der Prozess, der jetzt begonnen hat, wird nach Ansicht von Beobachtern Aufschluss darüber geben, wie die neue Führung generell mit kritischen Stimmen umzugehen gedenkt. „Gut sieht es nicht aus“, befürchtet der chinesische Menschenrechtsanwalt Teng Biao. Xu drohen fünf Jahre Haft. (lee)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2014)

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