Zum Auftakt in Montreux prallten völlig unvereinbare Positionen aufeinander. Der Westen fordert, dass Assad die Macht abgibt - für Damaskus ist dies eine rote Linie. Nun stehen aber zumindest direkte Gespräche der Konfliktparteien im Raum.
Montreux. Papst Franziskus sandte zum Auftakt der Syrien-Konferenz im abgeschirmten Luxushotel „Montreux Palace" ein Grußwort aus dem Vatikan: Jeder, so sein Appell, soll im anderen „nicht einen Feind und Konkurrenten sehen, sondern einen Bruder, den er annimmt und umarmt". Es gebe keine Alternative zu einem Ende der Gewalt, erklärte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon in der Funktion des Moderators fast flehentlich bei der Eröffnung.
Die Aufforderung zu Frieden und Versöhnung stieß bei den Teilnehmern indessen - erwartungsgemäß - auf taube Ohren. Anhänger des Assad-Regimes demonstrierten in Montreux für den in Damaskus gebliebenen Präsidenten, der in einem Interview zuletzt ostentativ vor Selbstbewusstsein gestrotzt und eine neuerliche Amtsperiode ankündigt hatte. „Mit unserer Seele und unserem Blut verteidigen wir dich, oh Bashar", skandierten sie. Die Opposition warf dagegen den Repräsentanten der Regierung vor, Blut an ihren Händen zu haben.
Syrische Journalisten akklamierten im Presseraum bereitwillig die Rede des Außenministers Walid al-Mouallem, der bei der Verlesung eines Propagandatextes die Redezeit gleich ums Doppelte überschritt und sich in einem Wortgefecht mit dem für seine stoische Gelassenheit bekannten UN-Generalsekretär verstrickte. „Nach drei Jahren des Leidens ist dies mein gutes Recht", blaffte al-Mouallem den südkoreanischen Spitzendiplomaten an. Von einer schrillen Klingel ließ er sich in seiner Suada nicht irritieren.
Am Ende des ersten Konferenztages lieferten sich schließlich Bodyguards des syrischen Informationsministers ein Handgemenge mit regimekritischen Journalisten, weil sie unbotmäßige Fragen an ihn gerichtet hatten.
Die syrische Delegation hatte sich nicht - wie die meisten Teilnehmer - im Montreux Palace" einquartiert, sondern im weniger pompösen „Majestic". Bei der Fortsetzung der Gespräche in Genf am Freitag wollten sich die Delegationen der syrischen Opposition und der Regierung ursprünglich nicht einmal im selben Saal aufhalten. Der russische Außenminister Sergej Lawrow kündigte an, dass es doch noch zu direkten Gesprächen kommen soll. Die Perspektiven für einen Erfolg bei den lange hinausgeschobenen, umstrittenen Verhandlungen sind jedoch nicht allein wegen der atmosphärischen Umstände am Genfer See düster.
Irans Präsident Hassan Rohani sprach bereits vor Beginn von einem Scheitern der Friedensinitiative - und leitet seine Prophezeiung aus der Ausladung Teherans auf Druck Washingtons ab, die das Image Ban Ki-moon als Vermittler schwer beschädigt hat.
Vor allem inhaltlich prallen völlig unvereinbare Positionen aufeinander. Während die syrische Opposition in den kommenden Tagen ein sechsmonatiges Übergangsszenario vorlegen will, das einen Abgang Bashar al-Assads zugrunde legt, verbietet sich Außenminister al-Mouallem jede Einmischung von außen und mithin jede Rücktrittsforderung an den Staatschef - daran scheiterte schon die Teilnahme des Iran.
Der Westen hält an einem Plan fest, der die erste Syrien-Konferenz in Genf vor zwei Jahren festschrieb - und den US-Außenminister John Kerry skizzierte: Waffenruhe, Freilassung von politischen Gefangenen und Bildung einer Übergangsregierung. Eine Partizipation Assads an einem Post-Bürgerkriegs-Syrien hält Kerry für unvorstellbar. Das Recht, ein Land zu regieren, lasse sich nicht auf „Folter, Fassbomben und Scud-Raketen" aufbauen. Oppositionsführer Ahmed Jarba hielt dem Assad-Regime die von einem Fotografen aufgedeckten Kriegsgräuel vor, die Folter und den Mord an 11.000 Opfern.
Einigkeit in nur einem Punkt
Lediglich in einem Punkt waren sich die Streitparteien einig. Unisono warnten beide Seiten vor einem Übergreifen des Bürgerkriegs und einer Destabilisierung der gesamten Region. Sie mahnten vor einer Eskalation durch Jihadisten. „Wir haben gesehen, wie tausende Kämpfer unterschiedlichster Organisationen und Ideologien nach Syrien geströmt sind", sagte Jordaniens Außenminister Nasser Judeh. Jordanien und der Libanon leiden am stärksten unter der Flüchtlingsflut. (ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23. Jänner 2014)