Beim Weltwirtschaftsforum stellen NGOs seit 2005 Firmen an den Pranger. Heuer stand die Textilindustrie in Bangladesch im Fokus.
Zwei Weltkonzerne sind am Weltwirtschaftsforum WEF in Davos mit einem Preis geehrt worden, den kein Unternehmen möchte. Die "Public Eye Award"-Jury erkor den US-Textilkonzern Gap zum Sieger, weil er sich gegen Arbeitsmarktreformen in Bangladesch sträubt; der Publikumspreis ging an den russischen Erdgasförderer Gazprom.
Seit 2005 verleihen Nichtregierungsorganisationen am WEF die Auszeichnung an in ihren Augen verantwortungslose Unternehmen. Zu den "Gewinnern" gehören auch regelmäßig Firmen aus der Schweiz - so beispielsweise Nestle, Novartis, Glencore, die Bernischen Kraftwerke (BKW), Roche und Syngenta.
Entsetzliche Sicherheitsbilanz bei Gazprom
Gazprom bohrt in der Arktis nach Erdöl. Aufgrund der extremen Bedingungen wie Temperaturen bis minus 50 Grad, Eisdecken, heftige Stürme und Dunkelheit, seien die Bohrungen dort besonders riskant, teilten die Preisverleiher Greenpeace und Erklärung von Bern am Mittwoch mit.
Diesen Herausforderungen begegne das Unternehmen mit einem unzureichendem Notfallplan und veralteter Technik. "Gazprom ist das erste Unternehmen auf der Erde, das Öl aus den eisigen arktischen Gewässern pumpt, obwohl ihre Sicherheitsbilanz an Land entsetzlich ist", sagt Kumi Naidoo, Chef von Greenpeace International, an der Veranstaltung am Rande des Weltwirtschaftsforum. Im Dezember 2011 starben nach Angaben der Umweltorganisation 53 Mitarbeiter, als die Gazprom-Bohrinsel Kolskaya kenterte. Im selben Jahr verursachte der Konzern 872 Ölunfälle an Land - mehr als jeder andere Ölkonzern der Welt.
Rund 280.000 Menschen nahmen an der Online-Abstimmung für den Publikumspreis teil. Gazprom erhielt wohl auch deshalb mit Abstand die meisten Stimmen, weil bei der Erstürmung einer Bohrinsel des Konzerns in der Barentssee ein Greenpeace-Schiff von der russischen Küstenwache aufgebracht wurde. Die 30-köpfige Besatzung - darunter ein Schweizer - kam erst nach drei Monaten wieder frei.
Gap verweigert Bangladesh-Abkommen
Die Jury verlieh ihren Preis an Gap. Das US-Textilunternehmen weigere sich bis heute, trotz eines tragischen Industrieunglücks in Bangladesch mit über 1100 Toten im vergangenen Mai, das Arbeitnehmerschutz-Abkommen "Accord on Fire and Building Safety in Bangladesh" zu unterzeichnen.
Stattdessen untergrabe Gap mit einem anderen Vertrag die Bemühungen für wirksame Reformen in der Textilindustrie. "Zudem haben die Arbeitnehmer kein Recht, gefährliche Arbeiten zu verweigern", sagte die Bangladescher Arbeiteraktivistin Kalpona Akter vor den Journalisten in Davos.
(APA/sda)