Achtelweise: Bier in Großflaschen

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Im Weinkühler auf den Tisch: Die Gastronomie entdeckt Biere in Großflaschen. Diese neue Bierkultur erfordert soziales Umdenken.

Hierzulande trainiert man eben gern seinen Arm: „98 Prozent der Österreicher denken bei Bier an Krügerln“, meint Seppi Sigl von der Trumer Privatbrauerei. Und nicht an eine Bouteille mit Korken und Agraffe, die im Flaschenkühler zu Tisch gebracht wird und aus der immer nur wenige Schlucke ins kleine Stielglas nachgeschenkt werden. Biersommelier Hubert Peter vom Lokal Die Au im Wiener Augarten schlägt in dieselbe Kerbe: „Österreich ist beim Thema Bier ein Land der Masse: große Marken, am liebsten halbliterweise getrunken.“ Karl Trojan von Schremser sagt: „Durstlöscher ist für Brauer mit Herzblut das schlimmste Wort: Da löscht einer mit Bier seinen Durst und hat nachher keine Lust mehr, ein tolles Bier zu kosten.“ Und bloß nicht zu viel Geld für Bier ausgeben!, darf man die drei ergänzen. Ein Zentiliter Wein um fünf, sieben oder auch neun Euro – das wird in Restaurants gezahlt. Bei einem schwer limitierten Craft Beer um sieben Euro pro Fläschchen, das man sich noch dazu teilen könnte, ist die Bereitschaft nicht da. Die Großflaschen Biere haben es da noch schwerer: „Beim Wein sind wir es gewohnt, für 0,75 Liter 30 Euro zu zahlen, beim Bier wirkt so ein Preis auf die meisten Gäste absurd“, hat Biersommelier Martin Schönbichler von Huths Da Max im ersten Wiener Bezirk die Erfahrung gemacht. „Was ich mir wünschen würde: Dass die Leute große Flaschen bestellen und achtelweise trinken. Aber das haben wir noch nicht wirklich geschafft.“



Bierbegleitung zum Menü. Genau das sollte aber für die Gastronomie das nächste große Ding sein, wenn es nach Kleinbrauereien, Bieraficionados und Gastro-Vordenkern geht: aufwendig gebraute Biere, die man nicht glas- oder kleinflaschenweise bestellt, sondern in der großen Flasche, und zu mehreren Gängen trinkt. Oder aber eine Bierbegleitung zum Menü, wie es etwa das Stei­rer­eck sowie Wein & Co und die Culturbrauer im Rahmen von Veranstaltungen anbieten.

Das alles erfordert Umdenken, bei Gästen und Gastronomen: Eine 0,75-Liter-Flasche Bier bedeutet für Gäste einen anderen Preis, oft einen deutlich höheren Alkoholgehalt, vielfach andere Bierstile – Stichwort Flaschengärung. Und die neue Kultur erfordert ein neues Sozialverhalten: Es gilt zu teilen. Man bestellt nicht ein Bier pro Person, sondern einigt sich auf eine oder mehrere große Flaschen für den ganzen Tisch. Für Restaurants heißt Bierbouteillenkultur eine andere Lagerhaltung, neue Gläser, Flaschenkühler, spezifische Beratung, ein neues Einschenkverhalten. Die Bereicherung für die Gastronomie wäre enorm. Wieso die Biervielfalt hierzulande in der Topgastronomie noch so unsichtbar ist, darf man als großes Rätsel bezeichnen: Es muss im Interesse von ambitionierten Restaurants sein, sich abzuheben. Das Steirereck zeigt dies in Sachen Bier vor. Seit November 2013 bietet man eine von Thomas Reither zusammengestellte und kommentierte Bierkarte mit 17 Positionen (rechnet man das alkoholfreie und den Radler dazu), darunter auch einige in der Großflasche.

Lagerpotenzial. „Wenn die Gastronomie nicht alles falsch macht, müssten wir in zwei Jahren so weit sein, dass in den besten Lokalen auch eine Bierkarte aufliegt. In den USA ist das schon lange so“, sagt Stefan Kreidl, der in seinem Lokal Verde 1080 auf der Wiener Josefstädter Straße einige hundert Biere ausschenkt und verkauft, darunter zig verschiedene große Flaschen. „Das Chimay in der Magnumflasche geht ganz gut“, grinst er. Er hat noch andere Kaliber auf Lager: etwa das belgische St. Feuillien in der Nebukadnezar-Größe – 15 Liter. Biere in der Großflasche würden mit der Zeit immer besser, teilweise könne man sie zehn bis 15 Jahre lagern. „Die Gastronomen müssen halt bereit sein, ein bisschen zu investieren.“ Und Kreidl meint in Sachen Großflaschen herzbluttechnische Investitionen genauso wie finanzielle. Vielleicht einmal eine Flasche aufs Haus, wenn eine große Runde zu Gast ist. Oder man bietet auch einem einzelnen Gast an, eine 0,75-Liter-Flasche zu öffnen, und schenkt den Rest an Interessierte an den Nebentischen aus. „Das Tripel Karmeliet zum Beispiel ist für Weintrinker ein guter Einstieg.“ Und: „Ohne Beratung geht nichts.“

Belgien – Schwerpunktthema im Verde 1080 – war Vorreiter bei den großen Flaschen, „in Belgien sind ja fast alle Biere flaschenvergoren und mit Korken verschlossen“, sagt Stefan Kreidl. Viele Bouteillen kommen aus dem Craft-Beer-Vorreiterland Italien, etwa von Del Borgo, Amarcord oder Toccalmatto. Aber auch immer mehr heimische Brauereien wie Gusswerk, Zillertaler oder Gerhard Forstner bieten Biere in der 0,75-Liter-Flasche, beobachtet Markus Wurzer vom Bieronlineshop mybier.at: „Die Anzahl an 0,75-l-Bierflaschen hat in den letzten zwei Jahren stark zugenommen bei Österreichs Kleinbrauereien.
Mehr und mehr Brauereien fahren dabei zwei Schienen: Die Standardsorten kommen in 0,33-Liter-Flaschen daher – wir bemerken allgemein einen starken Trend weg von Halbliterflaschen hin zu 0,33 –, in die Großflaschen kommen dann limitierte Sude wie Bockbiere, für die Bierfans auch gern einen höheren Literpreis bezahlen.“ Für Moritz Grobovschek vom Bierhändler Ammersin, wo man ebenfalls zahlreiche Großflaschen führt, haben die Bier-Bouteillen auch mit Wertigkeit zu tun: „Genuss wird anders zelebriert.“

Wein zum Vergleich.
Was man in Brauereien, die Biere in 0,75-Liter-Flaschen verkaufen, nicht gern hört: den Vergleich mit Wein. „Wir müssen uns nicht mit Wein messen, Bier ist etwas ganz Eigenes“, wehrt sich etwa Seppi Sigl gegen diese Vereinnahmung seitens der an Wein gewöhnten Öffentlichkeit. Doch Sigl verwendet in Gesprächen über seine Biere selbst diesen Vergleich, unter anderem, wenn er über die Lagerfähigkeit des holzfassgereiften Bieres spricht. Für dieses wurde im September 2013 ein Keller mit 20 neuen und vorbelegten Fässern angelegt. Bei Trumer will man auch bei den großen Flaschen beim Kronkorken bleiben, „der steht für den Bier-Grundcharakter“. Nur das 2008 viel beachtete Trumer Diamond Beer, das laut einigen Stimmen als „Champagnerbier“ zu früh auf dem Markt war, ist mit Korken und Agraffe verschlossen.

Dass Wein als Vergleichsobjekt der neuen Bierkultur der 0,75-Liter-Flaschen stets in Rufweite ist, müssen die Brauereien bei allem Unmut aber tolerieren. Wir trinken Bier in Zukunft nun einmal „wie Wein“, weil der Mensch dazu neigt, Neues in Verhältnis zu Bekanntem zu setzen. Wer Bier im Holzfass reifen lässt, muss aushalten, dass im Kopf der Konsumenten zunächst noch Bilder von Weinkellern auftauchen. Weitere Vergleichsaspekte mit Wein: Die Großflaschen ermöglichen Biere, die für eine feinere Perlage mit Champagnerhefe vergoren werden. Es gibt Hybridgetränke zwischen Wein und Bier, wie das Cerevinum von Gusswerk. Serviert werden die Biere nicht nur in Biersommeliergläsern wie dem Modell Teku von Rastal oder dem Gabriel-Glas, sondern auch im Rotweinglas, Bockbiere sogar im Cognacglas. Die Großflaschen werden im Weinkühler zu Tisch gebracht. Und, aber das geht sogar einem Bierfreak wie Hubert Peter vom Die Au zu weit: „Es gibt auch schon ganz Verrückte, die Biere aus der großen Flasche dekantieren. Aber das ist mir dann doch zu viel.“

Tipp

0,75-Biere kaufen: Ammersin, Wiedner Hauptstraße 140, 1050 Wien. oder Wiener Straße 131–133, 2345 Brunn am Gebirge. Verde 1080, Josefstädter Straße 27, 1080 Wien. Wein & Co Bierothek, etwa in der Filiale Stephansplatz, 1010, und Mariahilfer Straße, 1070 sowie auf weinco.at; Onlineshops: mybier.at und bierfracht.at

0,75-Biere verkosten:Biergasthaus Schiffner, Linzer Str. 9, 4160 Aigen-Schlägl. Die Au, Scherzerg. 1, 1020 Wien. Da Max, Schellingg. 6, 1010 Wien. Steirereck im Stadtpark. Verde 1080, Josefstädter Str. 27, 1080 Wien. Wein & Co Bierkulinarium, vier Gänge mit Bieren aus der Großflasche, 6.3. um 19.30 Uhr, Mariahilfer Str. 36.

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