Neos: Eine liberale „Liebesheirat“, Homo-Ehe inklusive

INTERVIEW MIT NEOS-VORSITZENDEN STROLZ UND LIF-VORSITZENDER MLINAR
INTERVIEW MIT NEOS-VORSITZENDEN STROLZ UND LIF-VORSITZENDER MLINARAPA/ROBERT JAEGER
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Am Samstag fusionieren die Neos mit dem Liberalen Forum. Zuletzt stand die erfolgsverwöhnte neue Fraktion vermehrt in der Kritik – wegen ihrer Haltung zum Rauchverbot, zu Privatisierungen oder zum EU-USA-Freihandelsabkommen.

Auch eine Hochzeitstorte wird es geben. Eine „Liebesheirat“ soll es werden, wie Neos-Chef Matthias Strolz und LIF-Chefin Angelika Mlinar unisono betonen. Wenn die beiden Parteien heute, Samstag, in Brunn/Gebirge auch offiziell zusammengehen.

Mit der Homo-Ehe als Morgengabe? Der Begriff wird seit den 1990er-Jahren mit dem LIF assoziiert. Bei den Neos hingegen war er umstritten. Homo-Partnerschaft ja, Adoptionsrecht für Homosexuelle ja. Doch bei der Homo-Ehe war man vorsichtig. Aus Rücksichtnahme auf den christlichen Flügel bei den Neos selbst. Und – vor den Wahlen – auch im Hinblick auf bisherige ÖVP-Wähler, die man gewinnen wollte.

Mittlerweile ist das Thema auch bei den Neos gegessen. Die Mehrheit der Mitglieder – die Partei erfreute sich zuletzt regen Zuwachses – ist für die Homo-Ehe. Und auch der konservative Flügel ist mit der Änderung im Parteiprogramm einverstanden, zumal die Gleichstellung ausdrücklich nur aus der Zivilehe hergeleitet wird – und nicht aus der kirchlichen.

Vertreter der reinen Lehre

Dennoch ist nicht alles eitel Wonne. Kritik an den Neos gab es, vor allem in den sozialen Netzwerken und vor allem von den Vertretern der reinen liberalen Lehre, erst diese Woche gleich zweifach.

Einerseits, weil die Partei laut Austria Presse Agentur für ein generelles Rauchverbot eintrat. Andererseits, weil Angelika Mlinar das Aussetzen der Verhandlungen über das EU-Freihandelsabkommen mit den USA begrüßte. Mit dem Hinweis, dass es eine transatlantische Partnerschaft nur geben könne, wenn die USA „die hohen europäischen Standards in wichtigen Bereichen wie Umweltschutz, Gesundheit, Soziales oder Menschenrechte übernehmen“.

Beim Rauchverbot präzisiert Mlinar – es war ebenfalls sie, die den entsprechenden Antrag eingebracht hat: „Es geht dabei in erster Linie darum, dass gleiche Rechte für alle gelten sollen.“ Also um die Aufhebung von Benachteiligungen. Derzeit gebe es ja einen Unterschied zwischen größeren Gastronomiebetrieben, die einen Raucher- und Nichtraucherbereich einrichten können, und kleineren, die sich entscheiden müssten, ob sie nun ein Raucher- oder Nichtraucherlokal sein wollen.

„Keine neoliberalen Säcke“

„Wir sind keine ignoranten neoliberalen Säcke“, erklärte Parteichef Matthias Strolz wenige Tage nach dem Wahlerfolg im Herbst im „Standard“. So seien die Neos für die Finanztransaktionssteuer und gegen die Privatisierung des Schienen- und Stromnetzes. Wirklich überraschend kam dieses „Outing“ nicht. Schon bei der Gründung der Partei – sie erfolgte 2012 – wollte Strolz seine Partei als Sammelbecken verstanden wissen – für enttäuschte rote, schwarze, liberale und grüne Wähler.

Auch Vergleiche mit der deutschen FDP wies er stets zurück, denn man sei etwas ganz anderes, nämlich eine Bürgerbewegung. Die Bezeichnung liberal wurde den Neos zunächst auch von außen zugeschrieben. Dementiert hat die Partei das freilich nie. Schließlich konnte man sich im Wahlkampf als neue, bürgerlich-liberale Alternative von den anderen Parteien abheben. Und international sind die Neos sehr wohl Mitglied der liberalen Parteienfamilie.

„Wir sind sicher keine Verfechter der reinen liberalen Lehre“, meint Neos-Vizechefin Beate Meinl-Reisinger. „Wir sind in erster Linie lösungsorientiert – siehe Rauchverbot.“ Da gehe es um Rechtssicherheit. „Und wir sind auch keine Vertreter des Protektionismus.“ Die Neos seien für das Freihandelsabkommen, sie würden nur die Offenlegung der Verhandlungskapitel verlangen.

Er sei schon neoliberal, sagt der Neos-Nationalratsabgeordnete Nikolaus Scherak. Aber eben nicht in der heute gebräuchlichen angloamerikanischen Bedeutung, sondern in jenem Sinn, wie er im Deutschland der Zwischenkriegszeit als Gegenentwurf zum vormaligen Laissez-faire-Kapitalismus, dem sogenannten Manchester-Liberalismus, konzipiert wurde. So wendet sich Scherak auch strikt gegen eine Aushöhlung und Privatisierung des staatlichen Gewaltmonopols. Jüngster Anlass ist das Schubhaftzentrum Vordernberg, in dem die private Sicherheitsfirma G4S Schubhäftlinge betreuen und kontrollieren soll.

Zu glauben, dass der linksliberale Flügel bei den Neos gegenüber dem rechtsliberalen die Überhand gewinnt – erst recht nun nach der Fusion mit dem LIF –, wäre aber auch übertrieben. So nimmt etwa der gesellschaftspolitisch klar links stehende Niko Alm in wirtschaftspolitischen Fragen deutlich rechtsliberale Positionen ein.

Und wenn Angelika Mlinar wie erwartet EU-Spitzenkandidatin der Neos wird und ein Mandat in Brüssel erhält, dann soll der Hotelier Sepp Schellhorn, der nach der Nationalratswahl leer ausgegangen ist, ihres im Nationalrat bekommen. Womit der prononciert wirtschaftsliberale Teil der Anhängerschaft wohl wieder einigermaßen versöhnt wäre.

WAS BISHER GESCHAH

Das Liberale Forum (LIF) wurde 1993 gegründet: Fünf Nationalratsabgeordnete der FPÖ verließen die Mutterpartei wegen des Ausländervolksbegehrens („Österreich zuerst“). Bei den Wahlen 1994 und 1995 gelang der Einzug in das Parlament, 1999 flog man hinaus. 2006 zog aber der LIF-Mandatar Alexander Zach über die SPÖ-Liste in das Parlament ein.

Neos (Das Neue Österreich) wurde 2012 als Bürgerbewegung gegründet und schaffte 2013 auf Anhieb den Einzug in den Nationalrat. Die Neos waren im Wahlverbund mit dem LIF angetreten. Nun geht das LIF ganz in den Neos auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2014)

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