Akademikerball: Momente einer Nacht der Randale

Spuren der Verwüstung.
Spuren der Verwüstung.(c) Clemens Fabry)
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Die „Presse“ hat die Proteste gegen den FPÖ-Ball in der Hofburg am Freitagabend durch die ganze Innenstadt begleitet. Und brechende Absperrungen, Attacken auf Ballgäste, Vandalismus – und auch friedlichen Protest – erlebt.

Wien. Es geht alles ganz, ganz schnell. Gerade noch hatten die fünf Polizisten, die die Straßensperre zwischen der Spiegelgasse und dem Lobkowitzplatz sichern sollten, locker gescherzt über die dröhnenden Trommellaute, die vom Stephansplatz über die Häuser herschallen. Dann bleibt ihnen gerade noch Zeit, einen Funkspruch abzusetzen, ihre Kunststoffschilde hochzunehmen und sich an dem brusthohen Metallzaun in Stellung zu werfen, bevor der Sturm über sie hereinbricht.

Keine halbe Minute vergeht zwischen dem Moment, in dem eine Reihe schwarz gekleideter und rot beflaggter Demonstranten in die Spiegelgasse einbiegt, und jenem, in dem sie die Absperrung erreichen. Zu dem monotonen Sprechchort „Wie-ner Po-li-zis-ten schüt-zen die Fasch-isten!“ biegt der schwarze Block an der Spitze des Demozuges scheinbar nach links in die Gluckgasse ab – dann springt ein bärtiger Mann im schwarzen Kapuzenpulli mit einem Satz über die Absperrung und reißt eines der Zaunelemente zur Seite. Die Polizisten können in ihrer schweren Ausrüstung nicht schnell genug reagieren, der Demonstrantenstrom trampelt den Rest der Absperrung einfach nieder. Es ist 18 Uhr 26 und das erste Mal, dass Demonstranten die Barrikaden am Rande der Sperrzone, die großräumig um die Hofburg errichtet worden ist, überwinden. Es wird nicht das letzte Mal bleiben.

Polizeibusse gegen Aktivisten


Wenige Minuten später sind mehrere hundert Demonstranten auf den Albertinaplatz, im Vorjahr einer der Hotspots der Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Protest, geströmt. Ihre Parolen werden radikaler: „Schlagt sie nieder, schlagt sie nieder!“ So sehr eskaliert die Situation hier noch nicht – ein Paar, das offenbar zum Akademikerball, dem Auslöser der Proteste unterwegs ist, wird attackiert: Schwarz Vermummte reißen der Dame Kleidung vom Leib, bespucken sie und ihren Partner. Umstehende begleiten das Geschehen mit „Schleich di, Nazihure!“.

Erst Minuten später trifft Polizeiverstärkung ein – in Kleinbussen wollen die Beamten richtung Opernring, wohin der Demozug inzwischen weitergezogen ist. Als einzelne Demonstranten nicht schnell genug ausweichen, versucht einer der Fahrer, sie im Schritttempo aus dem Weg zu schieben – er gerät in Panik und ruft um Hilfe. Sofort springen andere Aktivisten auf den Bus zu, reißen die Tür auf und Prügeln mit Gegenständen auf die Polizisten im Inneren ein. Der Fahrer rast schließlich mit Vollgas davon.

Friedliche Facetten


Nicht überall kommt es zu Ausschreitungen: Der Großteil der rund 6000 Demonstranten verhält sich friedlich, etwa in der Löwelstraße, wo Studentinnen später am Abend durch zivilen Ungehorsam in Form von Singe-Sitzkreisen Zufahrtswege für Ballgäste blockieren. Weil es aber – aufgrund der vergrößerten Sperrzone – heuer kein dezidiert „stilles Gedenken“ am Heldenplatz gibt, verschwimmen die Grenzen zwischen Friedlichen und Radikalen im Laufe des Abends immer mehr.

Spur der Verwüstung


So ziehen fast alle Demozüge – die aufgrund der flexiblen Organisation via Sozialer Medien extrem dynamisch bleiben: Mal löst sich eine Gruppe hier auf und wandert als Einzelpersonen weiter, um sich in einer anderen Straße mit einer anderen Gruppe zu verschmelzen – eine Vandalismusspur nach sich: Am Stephansplatz – wo just gestern einen Messe für Widerstandskämpfer Fritz Molden stattfinden hätte sollen –, in der Bognergasse und Am Graben wechseln sich Farbbombenflecken und eingeschlagene Auslagen ab, Am Hof reißen Radikale Verkehrzeichen aus und zerstören damit ein Polizeiauto.
Gegen neun Uhr sammeln sich mehrere hundert Demonstranten vor dem Burgtor und versuchen mehrmals, den Polizeikordon zum Heldenplatz zu durchbrechen. Die Sperrzonen-Strategie ist da längst in sich zusammengebrochen, die Exekutive ließ sich Schritt für Schritt zurückfallen. Es gibt Verletzte auf beiden Seiten, wie viele und wie schwer, steht zur Redaktionsschluss noch nicht fest.

Zu diesem Zeitpunkt sind die meisten Ballgäste (darunter FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der Wiener Klubobmann Johann Gudenus und Ex-FPÖ-Kärnten-Chef Uwe Scheuch) bereits in der Hofburg angelangt – manche der schlagenden Burschenschafter erklären im Gespräch mit der „Presse“, überhaupt ohne Behinderung zum Eingang gelangt zu sein, andere erzählen, nur dank einer dichten Polizeieskorte durch den „Mob“ gekommen zu sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2014)

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