Das Leben nach der Dayli-Pleite

THEMENBILD: DAYLI
THEMENBILD: DAYLI(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
  • Drucken

Einige ehemalige Dayli-Verkäuferinnen suchen ihr Glück in der Selbstständigkeit. Sie übernehmen die Filialen, in denen sie früher als Angestellte gearbeitet haben.

Die Idee sei langsam gereift. Irgendwann im vergangenen Jahr, als es mit Dayli bergab ging, habe sie sich gedacht: „Ich mach mich selbstständig. Dann brauch ich mir von niemandem mehr was sagen lassen.“

Im August hat die Dayli–Filiale in Steyr, vormals Schlecker, in der Kathrin Kierer 17 Jahre lang gearbeitet hat, ihre Tore geschlossen. Für Kierer war das Ende ein Neubeginn. Drei Monate hat sie gebraucht, um einen Businessplan zu erstellen und die nötigen Mittel aufzubringen. Im Dezember hat sie am selben Standort „Die Kleine Drogerie“ aufgesperrt.

Das Logo mit dem türkisfarbenen Kreis erinnert noch ein bisschen an den glücklosen Vorgänger. Sonst hat sich vieles geändert. Im Eingangsbereich steht jetzt ein Ständer mit Grußkarten, auch mehr Geschenkartikel werden angeboten. Vor allem die Stimmung hat sich aber enorm gebessert. „Es gibt nichts Schlimmeres, als in einem Geschäft zu sitzen und nichts verkaufen zu können“, sagt Kierers Mitarbeiterin Andrea Pilz, die mit ihr schon vorher bei Dayli gearbeitet hat. „Jetzt kommen die Kunden und beglückwünschen uns.“

Vernetzt.Kierers Beispiel könnte Schule machen. Die Sache hat sich unter den ehemaligen Kolleginnen schnell herumgesprochen. Sieben hätten sie schon um Rat gefragt, weil sie auch planen, das Drogeriegeschäft in ihrem Ort auf eigene Faust weiterzuführen, sagt Kierer. Vielleicht sei es sogar denkbar, dass man sich zusammentue und eine Einkaufsgemeinschaft bilde, um bei den Lieferanten bessere Konditionen zu bekommen.

Eine der Ex-Verkäuferinnen, die nun ihr eigener Chef sein wollen, ist Cornelia Rattenschlager. Sie will in Altenmarkt/Thenneberg in Niederösterreich in der nun leer stehenden Filiale den „Connymarkt“ eröffnen. Vertrag mit dem Vermieter hat sie allerdings noch keinen. Ex-Dayli-Eigentümer Rudolf Haberleitner hat sich nämlich bis Ende März 2014 eine Mietoption zusichern lassen. Anfang Dezember hatte sich Haberleitner mit einem Brief an die Eigentümer der Dayli-Standorte gewandt, in dem er erklärte, dass er einen Investor bei der Hand habe und beabsichtige, die Standorte wieder aufzusperren. Sollte sich der Plan Haberleitners Ende März als Hirngespinst erweisen, wird Rattenschlager die neue Mieterin. In dem Fall würde sie ihre Drogerie im Mai eröffnen. Rattenschlager hat schon sehr konkrete Pläne: „Das Sortiment steht schon. In der Filiale wird der Fußboden neu gemacht, die alte Kassa wird ausgetauscht und es wird frisch gestrichen. Die Regale haben wir für 1000 Euro von Dayli übernommen.“ Die Entscheidung, sich selbstständig zu machen, habe sie nach den ersten Besuchen auf dem Arbeitsamt getroffen: „Die haben mir einen Job bei der SCS (Shopping City Süd, Anm.) angeboten. Das hätte bedeutet, dass ich eine Stunde pendeln muss, und außerdem Arbeitszeiten unter der Woche bis 22 Uhr und am Samstag bis 18 Uhr. Das wäre nicht gegangen. Ich habe zwei Kinder und eine pflegebedürftige Mutter.“

Dann habe sie Frau Kierer im Fernsehen gesehen, und da sei bei ihr der Groschen gefallen. Von ihr habe sie sich viele Tipps geholt, vor allem, was die Lieferanten betrifft.

Münichholz, der Stadtteil von Steyr, in dem Kathrin Kierer die „Kleine Drogerie“ betreibt, gehört nicht zu jenen der Wohlhabenden: „Alle unsere Kunden schauen auf den Preis. Zu uns kommen entweder die ganz Alten oder die ganz Jungen. Das ganze Putzmittelzeug muss billig sein, dann kaufen sie vielleicht auch ein Parfum.“

Die Suche nach günstigen Lieferanten sei die größte Hürde gewesen: „Wenn man ein einzelnes Geschäft ist, bekommt man nicht die gleichen Konditionen wie die Großabnehmer.“ Dementsprechend gering sei die Preisspanne, denn teurer als die Konkurrenz könne man die Ware auch nicht verkaufen. „An den Markenartikeln von den großen Anbietern verdiene ich gar nichts“, sagt Kierer.

Gewinn mache sie mit den kleinen, weniger bekannten Herstellern. Die zu finden, sei die schwierigste Aufgabe gewesen: „Ich habe Nächte im Internet verbracht.“ Zuerst habe sie Lieferanten in der Gegend gesucht, und in Wien. „Die meisten haben aber gleich gesagt, ich soll mich an den Großhandel wenden, weil das für beide billiger ist.“ Jetzt bezieht sie viel aus Deutschland: „Die haben zwar einen weiteren Weg, sind aber trotzdem billiger.“

Ähnliche Erfahrungen hat auch Conny Rattenschlager gemacht: „Die deutschen Hersteller haben schon aus der Schlecker-Insolvenz gelernt, die sind flexibler als die Österreicher.“ Rattenschlager ist Quereinsteigerin im Drogeriegeschäft. Die gelernte Friseurin war zwei Jahre lang Filialleiterin bei Schlecker/Dayli. „Solange die Ware noch regelmäßig geliefert wurde, haben wir in der Zeit immer gute Umsätze gemacht.“


Jede Menge Katzenfutter. Als Schlecker zu Dayli wurde, habe sich relativ schnell abgezeichnet, dass es so nicht weitergehen könne. „Man hat nicht mehr bekommen, was man bestellt hat.“ Die wichtigen Sachen, die billigen Eigenmarken zum Beispiel, seien gar nicht mehr gekommen, dafür andere Dinge in Mengen, die man nicht absetzen konnte. „Zum Schluss wurde jede Menge Katzenfutter geliefert und lauter Ware mit kurzem Ablaufdatum. Sachen, die sie offenbar irgendwo noch günstig aufgetrieben haben“, sagt Rattenschlager. Die Kunden seien trotzdem bis zum Schluss gekommen, die seien sogar bereit gewesen, auf ihre Sachen zu warten.

Dass der Drogeriehandel nicht die schlechteste Wahl ist, um sich selbstständig zu machen, zeigt die Konjunkturentwicklung im Einzelhandel. Die Drogerien waren 2013 die absoluten Gewinner. Betrachtet man die reale Umsatzentwicklung, ist der Drogeriehandel der einzige Bereich, der ein nennenswertes Plus von 2,4 Prozent aufweist. Damit liegen die Drogerien deutlich über dem Branchenschnitt.

Vermieterin wird Händlerin. „Es ist ja bekannt, dass in Zeiten, in denen es den Leuten wirtschaftlich nicht so gut geht, der Lippenstiftabsatz steigt. Die Leute belohnen sich mit Kleinigkeiten, wenn die großen Anschaffungen ausbleiben müssen“, erklärt die Obfrau der Bundessparte Handel, Bettina Lorentschitsch, diese Entwicklung. Das scheint nicht nur den Verkäuferinnen aufgefallen zu sein, die mit täglichem Kontakt zu den Kunden den direktesten Draht zur Entwicklung der Nachfrage haben.

Im Tourismusort Walchsee in Tirol überlegt sich gerade die Besitzerin eines Geschäftslokals, der mit der Insolvenz von Dayli der Mieter abhandengekommen ist, das Heft selbst in die Hand zu nehmen. Noch sei nichts beschlossen, betont Karin Erharter: „Ich will den Verkäuferinnen keine falschen Hoffnungen machen.“ Auch an sie sei Haberleitner mit der Bitte um eine Mietoption bis Ende März herangetreten, sie sei aber nicht darauf eingegangen. Das Vertrauen in Haberleitner habe Erharter, die früher Finanzchefin bei Ikea war, schon bald nach der Übernahme von Schlecker verloren: „Er hätte erst einmal auf die Warenversorgung schauen sollen, anstatt große Um- und Ausbaupläne zu schmieden.“

Haberleitner habe Dayli zu einem Allzweckgreißler umwandeln wollen, der auch Lebensmittel verkauft, ohne sich die Standorte genauer anzusehen: „Die meisten Dayli-Filialen waren neben einem Supermarkt platziert. Da wäre man mit Lebensmitteln nicht weit gekommen.“ Nicht nur die geschlossene Dayli-Filiale in Walchsee befindet sich neben einem Spar. Auch die Filialen in Steyr und in Altenmarkt haben Supermärkte in unmittelbarer Nähe. „Lebensmittel ins Sortiment zu nehmen, war der größte Blödsinn überhaupt“, sagt auch Kierer in Steyr. Mit ihr hat Erharter schon gesprochen und sich ein paar Tipps geholt. Jetzt ist sie dabei, das Sortiment zu analysieren und einen Businessplan zu erstellen. Ein Warenwirtschaftssystem habe sie schon im Kopf: „Die Frau Kierer macht das nach Gefühl. Ich brauch das schwarz auf weiß.“

Über ihre ehemaligen Kolleginnen weiß Kierer wenig Positives zu berichten. Die, die kurz vor der Pensionierung gestanden seien, hätten erst gar nicht versucht, noch etwas anderes zu finden. „Die meisten anderen, die ich kenne, suchen noch“, sagt Kierer.

Glück gehabt hat Ex-Dayli-Verkäuferin Andrea Pilz, die vorher mit Kierer in der Filiale in Steyr gearbeitet hat und jetzt von ihr angestellt wurde. Bevor sie gewusst habe, dass sie in der „Kleinen Drogerie“ weitermachen könne, habe sie sich bei DM vorgestellt, sagt Pilz: „Bei dem Gespräch habe ich mich gar nicht wohlgefühlt. Ich hatte das Gefühl, die wollen nur Jüngere.“ Sie sei dann auch nicht genommen worden. Von den Kolleginnen habe sie Ähnliches gehört.

Arbeiten in der Pension.Jetzt bekommt Pilz mehr Gehalt als früher bei Dayli. „Mein Steuerberater hat sich das angeschaut und ist draufgekommen, dass sie unterbezahlt war“, sagt Kierer. „Da habe ich gesagt: Was es wiegt, das hat's. Jetzt bekommt sie 130 Euro brutto mehr im Monat.“ Sich selbst zahlt Kierer noch kein Gehalt aus. Das Weihnachtsgeschäft sei zwar gut gelaufen, aber rechnen würde es sich noch nicht. In fünf Jahren sollen sich die Investitionen von 80.000 Euro amortisiert haben, in zehn Jahren sollen die Schulden getilgt sein. „Dann gehen wir in Rente“, sagt Kierer und lacht.

Das meint sie aber nicht ganz ernst: „Ich bin nicht der Typ, der zu Hause sitzt und nichts tut.“ Natürlich arbeite sie jetzt mehr als vorher, sicher 60 Stunden in der Woche. „Aber das ist für mich nicht wirklich Arbeit, weil ich es gerne tue. Wenn ich einen Blödsinn mach, dann muss ich es mit mir selbst ausmachen. Das Gefühl ist super, das kann man gar nicht beschreiben.“

Daylis Ende

31. Juli 2012. Nach dem endgültigen Aus von Schlecker in Deutschland übernimmt Rudolf Haberleitner über 1.350 Schlecker-Standorte in Österreich, Italien, Polen, Belgien und Luxemburg.

20. Juni 2013. Die Drogeriemarktkette baut 336 Mitarbeiter ab und gibt bekannt, 103 Filialen zu schließen.

4. Juli 2013.Dayli stellt auf Druck der Gläubigerschützer den Antrag auf ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung.

12. Juli 2013. Masseverwalter Rudolf Mitterlehner zieht die Notbremse und beantragt die Schließung von 355 Filialen. 1.261 Mitarbeiterinnen verlieren ihren Job.

12. August 2013. Gläubigerausschuss und Gericht bewilligen die vom Masseverwalter beantragte Schließung. Hinsichtlich Mitarbeiterzahlen ist das Ende von Dayli die größte Handelspleite seit 20 Jahren.

Dezember 2013. Ex-Dayli-Chef Haberleitner ersucht in einem Brief die Vermieter der vormaligen Dayli-Filialen, ihm eine Mietoption bis Ende März 2014 einzuräumen. In dem Schreiben verspricht Haberleitner einen Neustart und eine Wiedereröffnung sämtlicher Filialen. Er habe die Finanzierung dafür aufgestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Österreich

Über ein Drittel der Ex-Dayli-Beschäftigten ist noch arbeitslos

Der Großteil der ehemaligen Dayli-Mitarbeiter hat in der Zwischenzeit einen Job gefunden. 1300 sind noch arbeitslos oder in Schulungen. Doch die Aussichten, dass sie eine Arbeit finden, sind nicht allzu schlecht.
International

Mitterlehner: "Dayli hätte ein Konzept und mehr Geld gebraucht"

Unter dem Dayli-Eigentümer Rudolf Haberleitner sei die Insolvenz von Schlecker Österreich nur hinausgeschoben worden, sagt Insolvenzverwalter Rudolf Mitterlehner. Die endgültige Abwicklung der Pleite werde sich 2014 nicht mehr ausgehen.
DAYLI-PK - SONNTAGSOeFFNUNG - START IN DEUTSCHLAND: HABERLEITNER
Österreich

Haberleitner träumt von dayli-Neustart

Haberleitner will nicht aufgeben: Der ehemalie dayli-Eigentümer hat einen Brief an die Vermieter der Filialen geschickt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.