EU-Entwurf: Banken sollen nicht mehr mit eigenem Geld handeln dürfen

File photo of a sign for Bank Street and high rise offices in the financial district Canary Wharf in London
File photo of a sign for Bank Street and high rise offices in the financial district Canary Wharf in London(c) REUTERS (LUKE MACGREGOR)
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Die EU-Kommission legt ihre Vorschläge auf den Tisch und geht weniger weit als die von ihr beauftragte Liikanen-Expertengruppe, die die Trennung aller Handelsaktivitäten vom Einlagengeschäft gefordert hat.

Brüssel. Der Berg kreißte und gebar eine Bankenreform – so in etwa lässt sich der Entwurf zur Umgestaltung der europäischen Bankenlandschaft zusammenfassen, der am Mittwoch in Brüssel präsentiert wurde. Darin hat die EU-Kommission Verhaltensregeln für systemrelevante Geldhäuser festgeschrieben. Kernelement: Banken, deren Zusammenbruch das Finanzsystem beschädigen könnte, sollen fortan nicht mehr mit eigenem Geld spekulieren dürfen.

Nach EU-Schätzungen werden die Regeln für rund 30 Institute gelten. Die Auswahlkriterien: Das Institut muss mindestens 30 Mrd. Euro in seinen Büchern haben und das Handelsvolumen muss 70 Mrd. Euro bzw. zehn Prozent der gesamten Aktiva überschreiten. Tritt dieser Fall ein, greifen die neuen Regeln – nationale Vorschriften, die als adäquat eingestuft werden (etwa in Großbritannien), behalten übrigens ihre Gültigkeit, wobei es den EU-Mitgliedern freisteht, den Kreis der betroffenen Institute zu erweitern.

Demnach wird Banken der Handel mit Finanzinstrumenten auf eigene Rechnung verboten. Weiters sollen als riskant eingestufte Handelsaktivitäten – etwa mit Derivaten – in getrennt finanzierte Töchter ausgelagert werden, um potenzielle Risken vom „sicheren“ Geschäft der Bank (und den Konten der Kleinsparer) fernzuhalten. Diese Risikoanalyse obliegt den nationalen Aufsichtsbehörden, die nach Richtlinien der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) handeln sollen. Damit ist ihr potenzieller Aktionsradius beachtlich, und das mit Absicht: Brüssel will verhindern, dass potenzielle Innovationen (Stichwort Schattenbanken), die sich Geldhäuser in der Zukunft einfallen lassen könnten, durch den Rost fallen. Es sei „nicht normal“, dass Großbanken einerseits von einem aus Steuergeld geknüpften Sicherheitsnetz profitieren und auf der anderen Seite Profite aus waghalsigen Transaktionen einstreichen, wetterte Binnenmarktkommissar Michel Barnier gestern.

Dass der Applaus für den Binnenmarktkommissar enden wollend ist, hat vier Gründe. Erstens die Genese: Barnier beruft sich auf den Bericht einer vom finnischen Notenbanker Erkki Liikanen geleiteten Expertengruppe, die 2011 beauftragt wurde, eine Blaupause für die EU-Bankenreform zu entwerfen. Doch in einem Punkt bleibt der gestrige Vorschlag hinter Liikanens Empfehlungen zurück: Der Finne wollte nämlich eine verpflichtende Abtrennung aller Handelsaktivitäten vom Einlagen- und Kreditgeschäft der Banken und nicht lediglich ein Verbot des Eigenhandels. Dagegen waren allerdings Deutschland und Frankreich – Berlin und Paris wollten dem Vernehmen nach ihre nationalen Champions vor unliebsamen Eingriffen in die Geschäftsmodelle schützen.

Zweitens der Geltungsbereich: Anders als die in den USA geltenden Volckers-Regeln sind nur die großen EU-Player betroffen – diese Diskrepanz könnte die Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP gefährden, da die Amerikaner ihre Vorschriften als sicherer einstufen. Kritikpunkt Nummer drei betrifft die Auswahl der Finanzprodukte. Von der EU-Kommission als sicher – und damit nicht ausgliederungspflichtig – eingestuft werden nämlich Geschäfte mit Staatsanleihen. Zur Erinnerung: Die Zypernkrise 2013 wurde durch Banken ausgelöst, die zu viele griechische Anleihen in ihren Büchern hatten.

Hoffnung auf höhere Weihen?

Und zu guter Letzt der Zeitplan: Angesichts der bevorstehenden Europawahl und dem darauffolgenden Wechsel der EU-Kommission wird mit einer Einigung frühestens Ende 2015 gerechnet – EU-Parlament und Rat müssen zustimmen. Es wäre besser gewesen, den Vorschlag erst nach der Wahl zu präsentieren, beklagte die britische EU-Abgeordnete Sharon Bowles gegenüber der „Financial Times“. Diese Eile mag vielen zwar übertrieben erscheinen, aus Barniers Perspektive hat sie allerdings einen Vorteil: Der Franzose bewirbt sich nämlich um den Posten des Kommissionspräsidenten. Ein Reförmchen, das den politischen Schwergewichten der EU nicht wehtut, könnte bei der Karriereplanung durchaus behilflich sein. (la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2014)

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