Deutschlands Innenminister wirft den USA unverblümt vor, noch immer nicht Klartext zu reden über das Ausmaß des Abhörskandals. Die Informationen aus Washington seien unzureichend.
Man hat der deutschen Regierung - der alten wie der neuen - nicht zu Unrecht vorgeworfen, in der NSA-Abhöraffäre gegenüber den USA nicht selbstbewusst genug aufgetreten zu sein. Das kann seit Freitag nicht mehr gelten. Denn Deutschlands Innenminister Thomas de Maizière, der nach einem Zwischenspiel als Verteidigungsminister auf diesen Posten zurückgekehrt ist, attackierte die USA auf der Münchner Sicherheitskonferenz scharf: Es gebe zwar keine Spuren, keine Fingerabdrücke, aber nach allem, was man wisse, sei die Spionage der US-Geheimdienste "maßlos".
Ebenso maßlos sei der Schaden, der für deutsche Interessen entstanden sei, zudem sei "der politische Schaden größer als der sicherheitspolitische Nutzen". Er selber, sagte ein sichtlich verärgerter de Maizière, sei vier Jahre verantwortlich für den deutschen Auslandsgeheimdienst gewesen, und er sei nicht naiv: "Ich weiß, was die Dienste zu tun und was sie zu lassen haben."
US-Vertreter drehte den Spieß um
Auch jetzt, mehr als ein halbes Jahr nach Beginn der Enthüllungen, seien die Informationen, die die deutsche Regierung aus Washington über das Ausmaß der Spionage bekomme, "unzureichend", sagte de Maizière und stellte sinngemäß die Frage, warum man denn diese Dinge immer erst von Snowden erfahren müsse. Es sei jetzt wirklich ein klares Signal des Partners USA erforderlich.
Und der Minister erhielt auch ein direktes Signal, allerdings nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte: Michael Rogers, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im US-Repräsentantenhaus, versuchte in seiner Reaktion, den Spieß umzudrehen und die USA als Opfer darzustellen, nämlich der medialen Öffentlichkeit: Es habe in der NSA-Affäre ja doch reichlich viele falsche, unzutreffende Darstellungen gegeben, und das auch noch in einer "aufhetzerischen Sprache": "Ich denke, dass wir uns immer an die Vorschriften des 4. Zusatzes der Verfassung gehalten haben. Und bei den Geheimdiensten gibt es ja auch ein großes Maß an Selbstkontrolle."
Vieles sei den Geheimdiensten ja gar nicht erlaubt, im übrigen hätten sie auch gar nicht die Ressourcen um all das zu tun, was ihnen nun vorgeworfen werde. Von einer Beschränkung der Auslands-Spionage wollte Rogers nichts wissen: "Das ist nicht zielführend. Daten sammeln, das machen ja auch andere Auslandsgeheimdienste. Sonst würden sie ihre Aufgabe nicht erfüllen."
"Fixierung auf NSA greift zu kurz"
Einen totalen Stopp der Aktivitäten der NSA verlangte freilich auch De Maizière nicht: "Selbst wenn die NSA morgen aufhören würde, zu arbeiten, wäre für die Sicherheit des Internet in Deutschland wenig gewonnen. Deshalb greift die Fixierung auf die NSA zu kurz.
Für Deutschlands Innenminister braucht es eine dreistufige Sicherheit: Zunächst seien Verträge nötig: "Aber wir wissen, Verträge werden manchmal nicht eingehalten", machte er sich keine Illusionen, dass auch ein No-Spy-Abkommen noch keine Garantie wäre. Deshalb brauche es zusätzlich "Sicherheit durch Technik". Wenn man nicht wolle, dass eingebrochen werde, reiche eine Versicherung nicht aus: "Dann ist es besser, wenn sie auch ein festes Schloss kaufen und das Fenster zumachen." Schließlich als Drittes noch "Sicherheit durch Vorsicht": Gleichzeitig volle Sicherheit und volle Bequemlichkeit durch die Möglichkeiten des Internet könne es nicht geben, sagte der Minister sinngemäß und zog einen Vergleich zu Ritterrüstungen, die zwar ein guter Schutz seien, aber die Beweglichkeit einschränkten. Soll heißen: Jeder muss für sich selbst entscheiden, welches Risiko er eingehen will: "Sichere Clouds gibt es nicht."