Amerika bewahrt die Welt vor der Ölkrise

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Der Aufschwung der Öl- und Gasindustrie hält die Macht der Opec im Zaum und stützt Asiens Demokratien. Doch nicht nur Amerikas blühende Ölindustrie beeinflusst die internationalen Beziehungen.

Washington. 3,5 Millionen Fass Erdöl aus Amerika: Das ist die Antwort auf die Frage, weshalb der Welt trotz der Revolutionen im Nahen Osten eine Ölkrise erspart geblieben ist. Seit dem Jahr 2008 hat die US-Ölwirtschaft ihre Tagesproduktion um besagte 3,5 Millionen Barrel gesteigert. Hätte sie das nicht getan, würde das gesamte, täglich rund 92 Millionen Barrel umfassende globale Ölsystem gerade einmal die Nachfrage decken, gab der frühere Ölmanager Mikkal Herberg vom National Bureau of Asian Research unlängst bei einer Diskussionsveranstaltung der Brookings-Institution in Washington zu bedenken.

Das zusätzliche Öl aus den Vereinigten Staaten habe der Welt somit enorme Probleme erspart. „Damit ist gleichsam das Äquivalent des Iran oder Irak zur globalen Ölproduktion dazugekommen, die die zweitgrößten Produzenten in der Opec sind.“

Doch nicht nur Amerikas blühende Ölindustrie beeinflusst die internationalen Beziehungen. Auch der viel beschriebene Aufschwung der Schiefergastechnologie verändert die Abhängigkeitsverhältnisse im internationalen Energiehandel.

Fossiler Friedensstifter in Asien

Zwar dürfen US-Gaskonzerne ihr Produkt nur nach Genehmigung durch die Regierung ins Ausland verkaufen; dasselbe gilt für Rohöl. Doch unter Präsident Barack Obama fällt die Abwägung zwischen Vor- und Nachteilen des Gasexportes immer öfter zu Gunsten desselben aus. 2011 genehmigte das US-Energieministerium eine Anlage zur Verflüssigung und Verschiffung von Erdgas an der Golfküste von Louisiana. 2013 erhielt eine zweite, noch größere Anlage nebenan in Texas grünes Licht. Sie wird täglich bis zu 30 Millionen Kubikmeter Flüssiggas für den Export bereitstellen können. Die Käufer dafür stehen schon Schlange: BP sowie zwei japanische Energiekonzerne haben Vorverträge abgeschlossen.

Der Anstieg der amerikanischen Erdgasproduktion um mehr als 30 Prozent seit dem Jahr 2006 ist – gemeinsam mit dem US-Ölboom – ein Segen für die wichtigsten Bündnispartner Washingtons in Ostasien. Taiwan, Südkorea und Japan decken so gut wie ihren gesamten Bedarf an Brennstoffen durch Einfuhren. „Es liegt auf der Hand, dass sie enorm von allem profitieren, was Nachschub auf den Markt bringt und die Preise davon abhält, zu stark zu steigen“, sagte Herberg. Denn eine Ölkrise, verbunden mit steigender Arbeitslosigkeit und Unruhen, könnte das fragile Machtgleichgewicht mit der aufstrebenden Großmacht China gefährden. Schon jetzt sorgen die Grenzstreitigkeiten zwischen Peking und fast allen Staaten in der Region, in denen es nicht um ein paar unbewohnte Inseln an sich, sondern um die Verfügung über unterseeische Rohstoffvorkommen geht, immer wieder für haarige Momente riskanter Marinemanöver. Doch auch Peking profitiert von den zusätzlichen Mengen an Ölprodukten, die dank der Hausse an Amerikas Bohrtürmen herrscht.

Und so sorgt der US-Energieboom dafür, dass die Machthaber in Peking ihre Säbel gegenüber den USA und ihren Verbündeten nicht zu laut rasseln lassen. Patriotische Träume von der Wiedererlangung der alten Größe Chinas sind das eine; das andere ist ein rastloses Volk, das Arbeitsplätze, Autos und leistbare Energiepreise fordert.

Das Pendel kann zurückschwingen

Allerdings wäre die Vorstellung, die USA seien nun autark und könnten sich vom Auf und Ab der Energiemärkte verabschieden, äußerst naiv. Jeder Boom endet irgendwann. Der gegenwärtige ist zudem ironischerweise erst durch globale Entwicklungen möglich geworden. Chinas industrieller Aufstieg hat die Öl- und Gaspreise in den USA von 2000 bis 2006 derart stark ansteigen lassen, dass sich der Einsatz teurer Bohrtechnologie und die Erschließung entlegener Felder zu rechnen begann. Das Leistungsbilanzdefizit schoss wegen der teuren Energieimporte Jahr für Jahr immer höher. Die Angst der Amerikaner, von fernen Mächten abhängig zu werden, schreckte damals auch einen einstigen Ölmanager im Weißen Haus auf. „Wir müssen unsere Abhängigkeit von nahöstlichem Öl zu einem Ding der Vergangenheit machen“, sagte George W. Bush 2006 in seiner Rede zur Lage der Nation. 2007 unterzeichnete er den „Energy Independence and Security Act“, der unter anderem die Pflicht zur Beimischung von Ackertreibstoffen in Benzin und strengere Verbrauchsvorschriften für Autos einführte.

Solange die globale Nachfrage nach fossilen Energieträgern konstant bleibt, dürfte Amerikas Öl- und Gasboom andauern. Eine schwere weltweite Rezession samt jäh abstürzenden Preisen würde allerdings viele amerikanische Felder unrentabel machen. Dann würde die fossile Blase platzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2014)

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