Runde eins der Verhandlungen in Genf wurde weitgehend ergebnislos beendet. UN-Vermittler Brahimi ist dennoch vorsichtig optimistisch.
Einer wie er braucht unendlich viel Geduld. Sieben Tage saß Lakhdar Brahimi mit den verfeindeten Syrern im alten Völkerbundpalast in Genf zusammen, „ohne substanzielle Ergebnisse“, wie der UN-Vermittler am Schluss der ersten Runde am Freitag bilanzierte. Weder humanitäre Korridore in die von Rebellen besetzte Altstadt von Homs wurden vereinbart noch Waffenruhen oder ein Gefangenenaustausch, geschweige denn Ansätze zu einer Übergangsregierung. Einzig 1000 Lebensmittelpakete durften NGOs in das von Assads Armee belagerte Yarmouk-Palästinenserlager transportieren, für die 18.000 Bewohner ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Trotzdem wollen sich die Kontrahenten in etwa zehn Tagen wieder treffen. „Ungeachtet des kämpferischen Tons: Im Eis zeigen sich erste Risse“, gab sich Brahimi vorsichtig optimistisch, auch wenn sich die Gespräche nach seinen Worten im Millimetertempo eines Gletschers bewegen. „Wenn das so weitergeht, sitzen wir in zwanzig Jahren noch hier – und dann bin ich längst unter der Erde“, machte er sich mit seinem bekannt trockenen Humor Luft.
Wo man Gift und Galle spuckt
Zumindest eine Geste des Mitgefühls ließen sich am Donnerstag die Todfeinde abringen – beide gedachten im Verhandlungssaal eine Minute der bisher 130.000 Toten ihres Kriegs. Danach wurde wieder Gift und Galle gespuckt, wie Diplomaten erzählten. Dennoch hofft Brahimi, dass sich der Ton mit der Zeit mäßigt, je länger sich die Gegner Angesicht zu Angesicht gegenübersitzen. „Ich hoffe, in der nächsten Runde werden wir strukturiertere Diskussionen haben“, gab der gewiefte Dompteur den Delegationen mit auf den Weg.
Die Vertreter der Opposition wollen die Pause nutzen, um zur Sicherheitskonferenz nach München zu reisen, wo sie unter anderem US-Außenminister John Kerry treffen. Am Dienstag sind sie im Kreml, bei Assads Verbündetem.
Mitarbeiter, die Brahimi seit Jahrzehnten kennen, schildern ihn als charmant, nüchtern und unsentimental. In Algerien geboren, erlebte er den Unabhängigkeitskrieg gegen Frankreich mit. 1991 bis 1993 war er Außenminister seines Landes. Inzwischen wohnt er in Paris, gilt als Kenner beider Welten, des Orients und des Okzidents. Das Syrien-Mandat übernahm er im August 2012 von Kofi Annan, der nach sechs Monaten aufgegeben hatte.
Scheitert der alte Fuchs?
Flexibilität, Klarheit und Improvisationskunst haben ihm bei früheren Missionen den Ruf eines fähigen Maklers eingetragen – in Haiti, Südafrika, Afghanistan, im Jemen und Irak sowie bei der Beendigung des libanesischen Bürgerkriegs vor 15 Jahren. Doch der Syrien-Konflikt, die wohl letzte Aufgabe des 80-jährigen Diplomaten, könnte auch seine Künste überfordern. Zu viele Interessen und Mächte sind im Spiel und wichtige Beteiligte haben kein Interesse am Ende der Kämpfe.
„Vermittlungen sind ein langatmiges Geschäft“, sinnierte er einst im Rückblick auf seine facettenreiche Karriere. Sein Vorgehen werde oft als zu langsam kritisiert, räumte er ein. „Aber besser langsam fahren als abstürzen.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2014)