Dubai: Die dunkle Seite der Glitzerstadt in der Wüste

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Erst nach neun Wochen durfte eine 29-jährige Wienerin aus Dubai ausreisen. Die Behörden hatten ihr nach einer Vergewaltigung außerehelichen Sex zur Last gelegt.

Dubai glitzert, Dubai elektrisiert, Dubai verschlägt einem den Atem. Jahr für Jahr zieht die Metropole am Persischen Golf zehntausende Besucher an. Scheich Muhammed bin Rashid al-Maktum kann stolz auf sein Werk sein. Er hat eine verschlafene Hafenstadt in einen schillernden Magneten für Touristen und Geschäftsleute verwandelt, in ein Shopping-Paradies mit architektonischen Wunderwerken.

Doch nicht alles glänzt in Dubai. Eine 29-jährige Wienerin mit tunesischen Wurzeln hat in den vergangenen neun Wochen unliebsame Bekanntschaft mit der dunklen Seite der hypermodernen Wüsten-Oase aus Stein gemacht. Ihr Martyrium begann in der Nacht auf den ersten Dezember. In der Tiefgarage eines Luxushotels stellte ihr ein Mann nach und vergewaltigte sie. Die Frau erstattete Anzeige – und kam dann selbst in die Mühlen der Justiz. Ihr drohte eine schwere Strafe – wegen Alkoholkonsums und außerehelichem Geschlechtsverkehr. Dass sie Muslima ist, erschwerte ihr Los zusätzlich.

Außenamt intervenierte heftig

Drei Tage lang saß sie in Haft. Die Polizei nahm ihr den Pass ab. Erst dann konnte sie die österreichische Botschaft in den Vereinigten Arabischen Emiraten um Hilfe bitten. Ein wochenlanges Tauziehen begann. Das Außenamt setzte alle Hebel in Bewegung. Außenminister Sebastian Kurz besprach den Fall sogar mit seinem Amtskollegen in den Emiraten. Die beiden haben einen Draht zueinander. Scheich Abdullah bin Zayed al-Nahyan hatte Kurz schon bald nach dessen Angelobung angerufen. Ein Akt der Generationen-Solidarität gleichsam, auch al-Nayhan war schon jung zum Chef-Diplomaten aufgestiegen, 2006 im Alter von nur 33 Jahren. Eine solche Erfahrung verbindet offenbar.

Vor ein paar Tagen reiste Generalsekretär Michael Linhart gemeinsam mit Elisabeth Ellison-Kramer, der Vize-Chefin der Rechts- und Konsularsektion, nach Dubai. Sie witterten eine Chance, die Wienerin nach Hause zu bringen. Und Donnerstagabend ging es dann ganz schnell. Die 29-Jährige bekam ihren Pass zurück, gemeinsam mit Linhart und Ellison-Kramer kehrte sie per Linienflug nach Österreich zurück. Am Flughafen wartete Außenminister Kurz auf sie. Ihre Identität will sie unter keinen Umständen preisgeben. Es kursieren keine aktuellen Fotos von ihr, sie fürchtet die Schmach in ihrer Familie.

Das Verfahren in Dubai aber läuft weiter. Das österreichische Außenministerium werde ihr weiter beistehen, wie Linhart im Gespräch mit der „Presse“ versichert. Österreich sei jedoch keinen Deal mit den Emiraten eingegangen. Das 29-jährige Vergewaltigungsopfer habe nicht versprechen müssen, für den Prozess nach Dubai zu kommen. Sie sei nun in Sicherheit.

Warum die Behörden in Dubai nun so schnell eingelenkt haben, will Linhart nicht verraten. Beobachter, die mit der Sache vertraut sind, weisen jedoch auf drei Gründe hin: Erstens seien in dem Fall gröbere Ungereimtheiten aufgetreten. Der Vergewaltiger, ein Jemenit, sei offenbar mit einem Polizisten in Dubai verwandt. Deshalb sei er anfangs möglicherweise von den Beamten gedeckt worden.

Zweitens hätten Scheich al-Maktum und sein Gefolge einen Imageschaden für Dubai befürchtete. Es war bereits eine mediale Lawine im Anrollen. Mehr als eine Viertel Million Österreicher hatte in einer Online-Petition gefordert, die 29-jährige Wienerin unverzüglich aus Dubai ausreisen zu lassen. Eine derartige Massenmobilisierung kann eine Metropole, die auf Touristen angewiesen ist, schon zum Umdenken bewegen. Und drittens hatten die Emirate auch auf politischem Feld etwas zu verlieren. Sie erhoffen sich Visa-Liberalisierungen von der EU.

Alles, was Allah verboten hat

Doch auch wenn die Angelegenheit glimpflich ausgegangen ist, der Schaden ist angerichtet. Viele Österreicher werden nun ein anderes Bild von Dubai haben als noch vor ein paar Wochen.

Geprägt hatte es zuletzt „Burj Khalifa“, ein fast 830 Meter hoher Wolkenkratzer, der höchste der Welt. Von seiner Aussichtsplattform aus wirken die anderen Hochhäuser der Stadt wie Spielzeug – wie Bauklötze im Sandkasten der arabischen Wüste, in die das Kunstprodukt Dubai hineingestellt wurde. Die pulsierende Metropole beherbergt Finanzjongleure und Geschäftsleute aus aller Welt. In den Luxushotels tummeln sich Unternehmer und Touristen, tauchen in den Bars in die Glitzerwelt mitten in der Wüste ein. Eine Welt, die auch alles bietet, was in den Vereinigten Arabischen Emiraten Allah und der Staat verboten haben: Alkohol und käuflichen Sex.

Natürlich wissen die Behörden Dubais vom Treiben in ihrer Stadt, das auch viele der reichen Einheimischen genießen. Sie drücken oft alle Augen zu. Doch die Sicherheit ist trügerisch. Was toleriert wird, ist trotzdem illegal. Vielen der feiernden Ausländer ist gar nicht bewusst, dass die rauschenden Partys bitter enden können – in einem der Gefängnisse außerhalb der Stadt.

Zwar sind die Gesetze in den Vereinigten Arabischen Emiraten viel liberaler als beim Nachbarn Saudiarabien. Doch auch in ihnen sind strenge Traditionen festgeschrieben – so wie etwa die Strafe für „außerehelichen Sex“, mit der sich nun die junge, vergewaltigte Wienerin bedroht sah.

„Human Rights Watch“ hat in einem neuen Bericht eine Reihe von Menschenrechtsverletzungen in den Emiraten aufgelistet: willkürliche Verhaftungen von Oppositionellen und auch die schlechten Arbeitsbedingungen der unzähligen Niedriglohn-Arbeitskräfte, die vor allem aus Südasien kommen. Sie müssen während ihres Aufenthalts ihre Pässe abgeben, dürfen ohne Zustimmung ihres Arbeitgebers meist nicht das Land verlassen. Beschweren sie sich aber über zu niedrigen oder gar nicht ausgezahlten Lohn und darüber, keinen freien Tag zu haben, werden sie rasch ausgewiesen.

Vergangene Woche hätte der Report in einem der modernen Hotels von Dubai vorgestellt werden sollen. Doch das Hotelmanagement zog die Zustimmung im letzten Moment wieder zurück.

Anmerkung der Redaktion

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2014)

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