Wenn ein Windrad ein ganzes Dorf versorgt

WINDKRAFT IM BURGENLAND
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Das Burgenland produziert seit dem Vorjahr mehr Ökostrom, als es verbraucht. In den nächsten Jahren will es sogar zum Exporteur aufsteigen. Zu verdanken hat man das der Windenergie.

Eisenstadt. Den Anfang machte ein eigenwilliger Lokalpolitiker im Jahr 1997. Rudolf Suchy, damals Bürgermeister im nordburgenländischen Zurndorf, hatte so lange auf Landeshauptmann Karl Stix eingeredet, bis in seiner Gemeinde sechs Windräder aufgestellt werden durften. Niemand hätte damals gedacht, dass dieser Feldversuch das Burgenland schon 15 Jahre später in die Stromautarkie führen würde.

Doch irgendwie ergab eines das andere. Stix stolperte drei Jahre später über die Pleite der Bank Burgenland. Sein Nachfolger, Hans Niessl, ist nicht nur gebürtiger Zurndorfer, sondern auch ein Jugendfreund Suchys. Und schon bald witterte auch der neue Landeshauptmann eine Chance in der Energiepolitik. Für das Land. Und für sich selbst.

Der Umweltschutz war dabei nebensächlich. Niessl und seinen Mitstreitern ging es in erster Linie darum, das Land ein Stück weit aus der Abhängigkeit seiner Stromlieferanten zu führen. Mangels geeigneter Primärenergieträger wie Wasserkraft versuchte man es mit Windenergie, für die das flache Burgenland alle Anforderungen erfüllte.

Im Jahr 2000 produzierte das Land gerade einmal drei Prozent seines Strombedarfs selbst. Doch dann entstand ein Windpark nach dem anderen. Und 2013 durfte der Landeshauptmann schließlich die Unabhängigkeit vermelden: Im Jahresschnitt wurde um zwei Prozent mehr Strom erzeugt, als die Haushalte und Betriebe verbrauchten. Der Beitrag von Biomasse, Biogas und Fotovoltaik fiel dabei kaum ins Gewicht. 90 Prozent des Ökostroms kamen aus der Windenergie.

Kaum Widerstände

Sehen kann man sie vor allem im Norden des Landes: 337 Windräder oder Windkraftanlagen, wie sie im Fachjargon heißen, stehen derzeit im Burgenland. Das entspricht einer Leistung von 770 Megawatt. Die Rechnung geht so: Ein Megawatt sind eine Million Watt. Und ein Windrad hat eine Leistung von drei Megawatt. Damit kann es rund 2000 Haushalte mit Strom versorgen. Also ganze burgenländische Dörfer.

Ästhetisch mag die Skyline im Hinterland des Neusiedler Sees ein Streitfall sein. Doch die Burgenländer haben sich längst daran gewöhnt. Große Widerstände gegen die Windfarmen gab es, anders als in Niederösterreich, so gut wie nie. Denn das Land hat auf der Suche nach geeigneten Standorten für die bis zu 135 Meter hohen Windräder nicht nur die Bevölkerung, sondern auch Umweltexperten eingebunden. Immerhin stehen 32 Prozent des Burgenlandes unter Naturschutz. Und der Vogelflug rund um das Weltkulturerbe Neusiedler See sollte nicht gestört werden. Wenn Niessl also wiederholt den Schutz der sensiblen Trappen beschwört, so tut er das mit gutem Gewissen.

Marktführer in der Windenergie ist das Land selbst. Über die Energie Burgenland besitzt es mehr als die Hälfte aller Anlagen. Der Rest wird von privaten Unternehmen betrieben. Experten schätzen, dass in den Windrädern des Burgenlandes mittlerweile mehr als eine Milliarde Euro stecken. Eines kostet derzeit 4,2 Millionen Euro.

Ohne Förderungen wären Investitionen in diesem Ausmaß wohl nicht möglich gewesen. Aus der EU kam jedoch nur die Anschubfinanzierung in den Neunzigerjahren. Anreize wurden vor allem in Österreich gesetzt, über das Ökostromgesetz: Die Produzenten werden – je nach Energieform – nach einem festgelegten Tarif subventioniert.

Dass die Windenergie ein gutes Geschäft geworden ist, beweisen auch die Planungen in Eisenstadt. Die Energie Burgenland investiert bis 2015 weitere 500 Millionen Euro in neue Anlagen. Danach soll geprüft werden, ob die bestehenden Windparks erweitert werden können. Das Ziel ist kein Geheimnis mehr: Mittelfristig soll das Land zum Ökostrom-Exporteur werden.

Doch die Möglichkeiten sind begrenzt. Irgendwann wird in der pannonischen Prärie kein Platz mehr für weitere Windräder sein. Der Interessenverband der Branche, die IG Windkraft, geht davon aus, dass die natürliche Grenze bei rund 1000 Megawatt liegt. Die Landespolitik erhofft sich weit mehr: In Eisenstadt kursieren angeblich Studien, die vom Doppelten ausgehen.

Die Entwicklung im Burgenland ringt sogar den Grünen Respekt ab – solange nur von der Stromautarkie und nicht von einer Energieautarkie die Rede sei, wie Umweltsprecherin Christiane Brunner, selbst Burgenländerin, präzisiert.

Denn einerseits erspart ein einziges Windrad der Umwelt rund 4650 Tonnen CO2 im Jahr – also ungefähr so viel, wie 2000 Autos im selben Zeitraum ausstoßen. Andererseits ist das Burgenland nicht nur das windreichste, sondern auch das pendlerreichste Bundesland. Der Burgenländer ist in der Regel auf sein Auto angewiesen, weil die öffentliche Anbindung – gelinde gesagt – verbesserungswürdig ist. Und das, sagt Brunner, sei energie- und umweltpolitisch dann doch „ein großer Widerspruch“.

Auf einen Blick

Ökostrom als Familienbetrieb: Seite 16Ein Windrad hat eine Leistung von drei Megawatt (drei Millionen Watt). Damit kann es rund 2000 Haushalte mit Strom versorgen. Eine Windkraftanlage erzeugt im Schnitt an 310 Tagen im Jahr Strom. Der Stückpreis liegt bei 4,2 Millionen Euro. Im Burgenland stehen derzeit 337 Windräder, allerdings kommen laufend neue dazu. Die jüngeren Modelle sind bis zu 135 Meter hoch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2014)

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