Studie: FPÖ stärkste EU-skeptische Kraft?

FPÖ, Strache, EU-Parlament
Darf auf ein gutes Ergebnis bei der EU-Wahl hoffen: FP-Obmann Heinz-Christian Strache.(c) APA/ERWIN SCHERIAU (ERWIN SCHERIAU)
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Bis zu 203 EU-kritische Mandatare könnten in das EU-Parlament einziehen. Folgen für die EU-Politik dürften durch Etablierte verstärkt werden, so eine Deutsche-Bank-Studie.

Wien. EU-Skeptiker werden im kommenden Europaparlament „weit von handlungsfähigen Mehrheiten entfernt bleiben“, analysiert eine neue Studie der Deutschen Bank über die „Wirtschaftspolitischen Implikationen der Europawahl“. Doch die Autoren, Nicolaus Heinen und Florian Hartleb, warnen ungeachtet dessen vor spürbaren Auswirkungen auf die Politik in Brüssel und in den 28 Mitgliedstaaten. Sie erwarten, dass sich die Regierungen „im Vorgriff auf nationale Wahlen vom Abschneiden der jeweiligen EU-skeptischen Gruppen beeinflussen lassen“. Damit würden EU-Skeptiker mittelbar zu einer Aufweichung des Reformkurses und der gemeinsamen Europapolitik beitragen.

Die Studie unterscheidet zwischen harten EU-Skeptikern und gemäßigten EU-Skeptikern, die sich sowohl an den politischen Rändern als auch in einigen Ländern in der Nähe der politischen Mitte angesiedelt haben. Zu Letzteren gehören etwa die britischen Konservativen (Tories). Für den Ausgang der Europawahl wurden drei Szenarien errechnet. Ein moderates Szenario geht davon aus, dass die Wahlergebnisse im Mai etwa den aktuellen Umfragen entsprechen werden. Dann würden rund 17 Prozent der Stimmen oder 128 von 715 Sitzen an EU-skeptische Kandidaten gehen. Gelänge es den EU-skeptischen Gruppen, ihre Wähler besser zu mobilisieren als etablierte Parteien, könnten sie laut einem zweiten Szenario 21,7 Prozent der Stimmen oder 163 Sitze erreichen. Liefe es für sie optimal, wären sogar 27 Prozent der Stimmen oder bis zu 203 Abgeordnetensitze erreichbar.

Aussichten für AfD bescheiden

Die Studie sieht eines der größten nationalen Potenziale aller EU-skeptischen Gruppen bei der FPÖ. Sie könnte demnach zwischen 26 und 42 Prozent der Stimmen erhalten. Wobei 42 Prozent laut innerösterreichischen Analysen derzeit freilich nicht realistisch erscheinen. Wie auch die Studie der Deutschen Bank relativiert, könnte die FPÖ nur dann ein so gutes Ergebnis erzielen, wenn es ihr gelänge, alle potenziellen EU-skeptischen Wähler für sich zu mobilisieren und den pro-europäischen Parteien (SPÖ, ÖVP, Grüne, Neos) die Mobilisierung ihrer Wähler völlig misslänge.

Als stärkste EU-skeptische Kraft innerhalb der EU wird derzeit aber noch die polnische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) ausgewiesen. Sie könnte je nach Szenario zwischen 29 und 57 Prozent der Stimmen erhalten. Dagegen nehmen sich beispielsweise die Aussichten der euroskeptischen Alternative für Deutschland (AfD) mit maximal 6,6 Prozent fast bescheiden aus. Der künftige Einfluss dieser Gruppen auf die europäische Politik wird zum einen davon abhängen, wie sie sich im Europaparlament organisieren. Gelingt die Aufstellung einer rechtsnationalen Fraktion, an der sich auch die FPÖ beteiligen möchte, wäre ihr Einfluss auf die gemeinsame europäische Politik größer. Sie könnten dann vermehrt Berichte zu neuen Gesetzesinitiativen verfassen. „Die Bildung einer Fraktion vergrößert den politischen Einfluss im Parlament – etwa durch zusätzliche finanzielle Zuwendungen, Vertretung in den Fachausschüssen oder das Recht, Beschlussvorlagen einzubringen“, heißt es dazu in der Studie.

Wahrer nationaler Interessen

Doch die Autoren verweisen auch auf die „mittelbare Beeinflussung“ der Europapolitik und der jeweiligen nationalen Reformpolitik. Ein gutes Abschneiden etwa des französischen Front National könnte „den jüngst angekündigten marktwirtschaftlichen Reformkurs von Präsident Hollande gefährden“. Ähnliche indirekte Auswirkungen wären in Italien möglich. Dort könnte ein Erfolg der EU-skeptischen Kräfte den von Brüssel durchgesetzten Reformkurs wieder infrage stellen. Ein Erfolg der britischen Nationalisten UKIP würde die Debatte über den Sinn der EU-Mitgliedschaft Großbritanniens erneut anfachen und „Spekulationen über den Ausgang des Referendums über den Verbleib in der EU befeuern“, schreiben die Autoren.

„Denkbar wäre, dass Regierungen im Lichte der nationalen Wahlergebnisse verstärkt versuchen werden, sich in ihren Ländern als Wahrer nationaler Interessen zu profilieren“, prognostiziert die Studie.

Dies hätte dann vor allem Auswirkungen auf die gemeinsame Beschlusslage in der EU. Die „bisher pragmatische und am Konsens orientierte Zusammenarbeit würde erschwert“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2014)


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