Alice Schwarzer: Hexenjagd oder Sündenfall?

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Alice Schwarzer hat Steuern hinterzogen, deckte der "Spiegel" auf. Sie sei eine "Steuersünderin" und moralisch zu verurteilen, auch wenn sie "tätige Reue" geübt habe.

Alice Schwarzer hat also Steuern hinterzogen – und das jahrzehntelang. Aufgedeckt hat das am Sonntag der „Spiegel“, er wusste auch, dass es eine Millionensumme gewesen sein muss, die von der Diva des Feminismus irgendwann in den 1980er-Jahren in die Schweiz gebracht worden war, wo Zinsen die Millionen noch mehrten. Zinsen, die nicht versteuert wurden. Geld, das damit dem deutschen Staat entging. Doch Schwarzer hat gerade noch rechtzeitig „tätige Reue“ geübt, um der Strafverfolgung zu entgehen. Eine sechsstellige Summe hat sie nachgezahlt, jenen Sicherheitspuffer inklusive, den „Steuersünder in solchen Fällen in der Regel zahlen, damit die Selbstanzeige nicht wegen einer möglicherweise falschen Berechnung unwirksam wird“.

Die Sünderin Alice Schwarzer also. Die tätige Reue geübt hat. Die ihre Schuld(en) beglichen hat. Womit die Angelegenheit die Öffentlichkeit offiziell nicht zu interessieren hat, schließlich sind ihre Handlungen nicht strafrechtlich relevant: Letzteres findet zumindest Alice Schwarzer. Sie konterte noch am Sonntag mit einem Blogeintrag: „Das Konto war ein Fehler. Den bedaure ich zutiefst“, schreibt sie. Sie habe „den Fehler wiedergutgemacht“. Der Fall sei damit auch „aus der Sicht der Steuerbehörde bereinigt“. Was auch die meisten anderen Medien so gesehen hätten; diese hätten aus ethischen und rechtlichen Gründen von einer Veröffentlichung Abstand genommen. „Der ,Spiegel‘ konnte der Versuchung nicht widerstehen.“ Er „denunziere“ sie und schädige ihren Ruf.

„Der Versuchung widerstehen“

Was also: Hexenjagd oder Sündenfall? Die Sünderin, die nun büßen muss, oder die „tätig Reuige“, die ihre „Fehler bedauert“ und die nun verfolgt wird, weil der „Spiegel“ einer „Versuchung nicht widerstehen“ konnte? Interessant, wie katholisch die Begriffe sind, die hier verwendet werden, interessant, wie katholisch auch die Argumentationslinien Alice Schwarzers wirken. Die „Versuchung“ ist biblischen Ursprungs, die Sünde natürlich auch, noch mehr aber die Annahme, man werde durch Beichte und Sühne frei von Schuld, man wasche sich rein – das Ganze sei also eine Angelegenheit zwischen dem Einzelnen und dem Pfarrer als Stellvertreter Gottes beziehungsweise zwischen dem Einzelnen und der Steuerbehörde als Stellvertreter des Staates. Sie sprechen das „Ego te absolvo“.

Ein wichtiger Punkt in der Debatte ist der Begriff der „tätigen Reue“. Er stammt im Gegensatz zur „Sünde“ und der „Versuchung“ aus dem Strafrecht: Der Täter sieht sein Vergehen ein und behebt den angerichteten Schaden, bevor die Behörde überhaupt davon Kenntnis hat. Den Nichtjuristen führt die Formulierung freilich leicht in die Irre. Es geht nicht um Reue, nicht um Erkenntnis des eigenen Fehlverhaltens, sondern um einen nüchternen Deal: Der Staat erhofft sich entgangene Steuereinnahmen. Der „Steuersünder“ wägt ab, wie wahrscheinlich es ist, dass er ertappt wird. Der Deal wurde besonders gern angenommen, als CDs mit den Namen von Steuerflüchtlingen in die Hände des Fiskus gerieten. Zumal nur zehn Jahre nachzuzahlen sind. Frühere Steuerschulden sind – wie bei Schwarzer auch – verjährt.

Die Nüchternheit dieser Rechnung macht die Debatte so hitzig: Der „Spiegel“ ist empört, dass Schwarzer sich erst meldete, als schon etliche „Steuersünder“ aufgeflogen waren, und wirft ihr „Bigotterie“ vor – wieder ein Begriff aus dem Umfeld des Katholizismus. Zu den Vorwürfen Schwarzers: „Dass Schwarzer jetzt auf den „Spiegel“ zeigt und ihm eine illegale Veröffentlichung vorwirft, kann nur davon ablenken, dass sie selbst ihre Ehre verloren hat“. Sie handle „unmoralisch“ – und das als „moralische Instanz“. Der Pfarrer, der Wasser predigt und Wein trinkt, ist uns ein Dorn im Auge. Ist Schwarzer eine „moralische Instanz“? Sie tritt für ein Recht auf Abtreibung ein und für das Verbot der Prostitution. Sie agitiert gegen das Ehegattensplitting, das steuerlich vor allem das klassische Familienmodell stützt. Sie attackierte Kachelmann, als das Gericht ihn für unschuldig befand. Alice Schwarzer ist eine Instanz in Sachen Feminismus. Als solche war und ist sie streitbar, hatte recht und war manchmal rechthaberisch – und war dabei oft so überzeugt von ihrer Sache, dass sie Kollateralschäden in Kauf nahm. Mag sein, dass die Häme jetzt zum Teil ihrer Haltung geschuldet ist. Die Wehleidigkeit, die sie jetzt an den Tag legt, steht ihr jedenfalls schlecht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2014)

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