Alltagsnutzung: Der erste Klick des Tages wird zur Routine

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Die Masse der Facebook-Nutzer weiß zwar um Risken wie Datenschutzverletzungen und Suchtgefahr, ignoriert sie aber. Trotz erster Abnützungserscheinungen bleibt das Netzwerk ungebrochen beliebt.

Seit Kurzem gibt es diese neue Spielerei auf Facebook: Jemand postet ein Kunstwerk auf seiner Seite, zum Beispiel den berühmten Holzschnitt „Die Mütter“ von Käthe Kollwitz, und dazu den Begleittext: „Die Idee ist es, Facebook mit Kunst zu übersäen, um die Monotonie aus Bildern von Mittagessen, Sushi und Sport zu unterbrechen.“ Wer den „Gefällt mir“-Button drückt, bekommt einen anderen Künstlernamen zugeordnet und soll wiederum ein Werk von diesem oder dieser posten.

Was klingt wie die Beschäftigungstherapie gelangweilter und bildungsbürgerlicher Facebook-Nutzer kann als Kritik am Netzwerk genauso verstanden werden wie als ambitionierter Verbesserungsversuch. Doch die Frage drängt sich auf: Warum verlassen diese Menschen das Netzwerk nicht, wenn sie sich an den Bildern von Sushi, Hochzeiten und Neugeborenen (Titel: „Our star is born!!!) sattgesehen haben? Manche tun das ohnehin; einige sind aus Skepsis oder Zeitmangel gar nicht erst in den digitalen Allzweckraum eingetreten. Aber der größere Teil bleibt drin und jammert. Über den hohen Suchtfaktor, den der Nachrichtenstrom aus dem Freundeskreis auslöst, und die Zeit, die es frisst, aber auch die Angst, dass jeder Mausklick und jedes Like nicht nur gespeichert, sondern zu Geld gemacht wird. Es gibt Schauergeschichten von Facebook-Einbrechern, die die Profile anderer knacken und dort gesetzwidrige Dinge tun, andere verleumden etwa oder sexuell belästigen. Und es gibt immer wieder Menschen, die ihren Account löschen wollen, aber von Facebook beharrlich daran gehindert werden.

Selbstdarstellungsplattform Nummer 1

Doch der große Rest der 1,2 Milliarden Facebook-Nutzer verwendet die Plattform als Alltagskommunikationswerkzeug. Es ist für viele die erste und die letzte Internetseite des Tages, die sie auf ihren Smartphones abrufen. Dort werden Freundschaften in aller Welt gepflegt, Maturatreffen organisiert und ja, auch so Profanes wie Katzenfotos geteilt. Ein gar nicht geringer Teil der Nutzer liest aber einfach nur still mit. Facebook ist für viele Postkartenersatz im Urlaub oder virtuelles Schwarzes Brett bei der Babysittersuche, für Unternehmen und vor allem Medien schlicht und einfach ein weiterer und wichtiger Vertriebskanal. Und dann ist es natürlich die größte Selbstdarstellungsplattform im Netz.

Doch nicht erst seit der österreichische Jusstudent Max Schrems im Sommer 2011 mehr als ein Dutzend Anzeigen gegen Facebook wegen des Verstoßes gegen europäische Datenschutzgesetze einbrachte, warnen Experten vor der allzu bereitwilligen Herausgabe der eigenen Daten und Meinungen. Doch die Masse hat sich mit dem System hinter Facebook entweder nie genau auseinandergesetzt oder es akzeptiert. Nur wenige sind nicht mit ihrem echten Namen auf Facebook registriert, viele teilen bereitwillig ihren Beziehungsstatus, und die Standardantwort auf die Datenschutzkritik lautet: „Ich habe ohnehin nichts zu verbergen.“

Die Nutzer haben sich nach zehn Jahren an die digitale Zerstreuungsplattform gewöhnt und leben mit den ungesunden Nachteilen. Auch wenn immer öfter das Wort „langweilig“ fällt und sich die unter Zwanzigjährigen bereits in anderen Netzwerken wie WhatsApp tummeln, steigt die Nutzergemeinde von Facebook immer noch. (awa)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2014)

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