NSA-Spionage: Scharfe Kritik aus Berlin

NSA soll bereits Gerhard Schröder abgehört haben. Deutschland pocht bereits seit Monaten auf ein Anti-Spionageabkommen mit den USA.

In der NSA-Affäre um Spionageaktionen gegen die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihren SPD-Amtsvorgänger Gerhard Schröder wird die deutsche Kritik an Washington schärfer. Merkel warnte die USA am Mittwoch via Regierungssprecher Steffen Seibert davor, das für die transatlantische Partnerschaft notwendige Vertrauen zu beschädigen. Dies könne am Ende zu weniger Sicherheit führen.

Justizminister Heiko Maas warf dem US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) willkürliche Massenüberwachung vor. Maas sagte "Spiegel Online": "Der Schutz der Sicherheit scheint für die NSA nur ein Deckmantel zu sein, um ungebremst Daten zu sammeln." Er ergänzte: "Wer Kanzlerhandys abhört, der liefert jedenfalls damit keinen Beitrag zum Schutz vor Terroranschlägen." Trotz des großen Widerstands in Washington bestehe man auf einem Anti-Späh-Abkommen.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, er sei nicht erstaunt angesichts der Berichte über eine NSA-Aktion gegen Schröder. Er habe schon lange vermutet, dass sich die Abhöraktionen über einen längeren Zeitraum erstreckt hätten. Es gehöre nicht viel Fantasie dazu, dass dies eine Zeit betroffen habe, in der Deutschland und die USA in ihren außenpolitischen Vorhaben weit auseinander lagen.

Der Norddeutsche Rundfunk und die "Süddeutsche Zeitung" ("SZ") berichteten über Informationen aus US-Regierungskreisen sowie von NSA-Insidern, die belegen sollen, dass der US-Dienst Schröder wegen dessen Neins zum Irak-Krieg 2003 abgehört hat. Schröder sei spätestens 2002 unter der Nummer 388 in eine Liste aufgenommen worden, in der überwachte Personen und Institutionen geführt wurden.

Auslöser Irakkrieg

Bereits im vergangenen Jahr hatten "Bild am Sonntag" und "New York Times" über den Lauschangriff auf Schröder berichtet. Das Programm sei schon unter Präsident George W. Bush gestartet worden. Auch 2013 hieß es, Auslöser sei das harte Nein des Kanzlers zur Teilnahme der Bundeswehr am Irakkrieg im Wahljahr 2002 gewesen.

"SZ" und NDR berufen sich auf ein von dem Ex-NSA-Mitarbeiter und in Russland untergetauchten Informanten Edward Snowden weitergegebenes Dokument, mit dem festgelegt worden sein soll, welche Personen und Institutionen überwacht werden. Beide Medien zitierten einen NSA-Insider, nach dessen Auskunft der Auftrag des Abhörprogrammes nicht der Person, sondern der Funktion gegolten habe. Demnach sei seit 2002 der jeweilige Bundeskanzler - bis 2005 also Schröder - Ziel der Schnüffelaktion gewesen.

In deutschen Sicherheitskreisen hieß es, diese Auslegung sei nicht besonders stichhaltig. Zwar sei durchaus möglich, dass Schröder damals von der NSA ausspioniert worden sei. Man gehe aber nach wie vor davon aus, dass Merkel schon seit 2002 und damit in ihrer Zeit als CDU-Chefin abgehört worden sei. Für eine neue Interpretation des NSA-Dokuments, das die 2013 gestoppte Lauschaktion belegen soll, gebe es keine neuen Hinweise und keine Belege.

Schröder: "Kein Respekt"

Schröder sagte am Donnerstag er "Bild"-Zeitung: "Die USA haben keinen Respekt vor einem loyalen Bündnispartner und der Souveränität unseres Landes." Kern des Problems sei "das ungeheure Misstrauen der Amerikaner gegenüber einem Bündnispartner, der ein hohes Maß an Solidarität gezeigt hat".

Deutsche Sicherheitskreise halten es für möglich, dass Wortprotokolle abgehörter Telefonate Merkels publik werden. Die von der US-Regierung übermittelten Informationen über jene Dokumente, die wahrscheinlich von Snowden kopiert und entwendet worden seien, gäben darüber aber keinen Aufschluss. In diesen Informationen aus Washington gehe es lediglich um allgemeine Themenbereiche, sie seien recht unkonkret.

(APA/dpa)

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