„Da liegt doch ein Western vor der Tür“

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Der heimische Emmy-Sieger über seinen Berlinale-Film „Das finstere Tal“ mit Tobias Moretti.

Im November erhielt der Österreicher Andreas Prochaska den Emmy für die TV-Film „Das Wunder von Kärnten“, am Montag präsentiert er bei der Berlinale „Das finstere Tal“, bevor diese Adaption des Erfolgsromans von Thomas Willmann nächsten Freitag ins Kino kommt: Im 19. Jahrhundert wird ein abgelegenes Tiroler Bergdorf von einer Bauernfamilie beherrscht (großartig: Tobias Moretti als einer der Söhne). Bis ein Fremder (Sam Riley) ins Dorf kommt und die Mitglieder des Clans zu sterben beginnen... Mit der „Presse“ sprach Prochaska vor seiner Berlin-Reise über das ungenützte Potenzial heimischer Landschaften, die Probleme von Literaturverfilmungen und die Verwendung von Tiroler Dialekt.

Die Presse: Nach den „In 3 Tagen bist du tot“-Horrorfilmen oder der Komödie „Die unglaubliche Entführung der Frau Elfriede Ott“ arbeiten Sie sich weiter durch die Genres: „Das finstere Tal“ ist eine Art (Alpen-)Western. Wie kamen Sie dazu?

Andreas Prochaska: Beim Dreh zu „In 3 Tagen bist du tot 2“ waren wir viel in Tirol unterwegs, und ich habe mich oft gefragt, welche Menschen in den entlegenen Winkeln leben: Wie sind die drauf? Was motiviert sie, auch die Beschwerlichkeiten auf sich zu nehmen? Ich hab mir auch vorgestellt, wie es im 19. Jahrhundert gewesen sein muss, wenn ein Fremder in so eine Dorfgemeinschaft platzt. Da liegt doch ein Western vor der Haustür! Als ich den Roman „Das finstere Tal“ in die Hand bekam, dachte ich: Genau das, wonach ich suche! Der Ansatz ist eher ein Thriller-Drama, nur halt im Westerngewand. Als Inspiration waren insofern Western weniger wichtig für mich als stark von der Hauptfigur geprägte Filme wie „Drive“ oder „Der eiskalte Engel“: Die habe ich mit Hauptdarsteller Sam Riley diskutiert.

Sie schöpfen auch aus dem Heimatfilm. Damit werden heute leider nur mehr bestimmte Klischees assoziiert: das Idyllische, Trivial-Bunte, Süße. Dabei gab es da auch abgründige Sachen, an die Ihr Umgang mit der Natur eigentlich anschließt.

Der Western ist auch die amerikanische Form des Heimatfilms! Und dessen Landschaften habe ich die vergangenen 20 Jahre nicht mehr im Kino gesehen, nur im TV, ob bei Hansi Hinterseer oder Soko Kitzbühel. Ich wollte das Filmische dieser Landschaften wieder nützen, schon bei „In 3 Tagen bist du tot“: Seen und Berge als eigene Charaktere, das hat großes visuelles und dramatisches Potenzial. Was mich an dieser Natur interessiert, ist, dass Schönheit und Lebensgefahr im selben Bild da sein können. Denn Schnee ist schön – aber du weißt auch: Wenn du zu lang draußen bleibst oder dich verirrst, wenn der Sturm kommt, kann es der Tod sein.

Auch die Verschlammung des Dorfes ist da sehr effektiv und atmosphärisch.

Ein Geschenk der Natur! Wir hätten uns den Aufwand nie leisten können. Es hat den ganzen Tag geschüttet, so ein Regen, den man gut sieht, von dem man aber nicht gleich waschlnass ist. Ein trockener Tag mit strahlender Sonne wäre ein Albtraum gewesen! Irgendjemand hat gut auf den Film aufgepasst.

Wie schwer war es, die Romanrechte zu kriegen? Das Buch war ein Erfolg, Autor Thomas Willmann ist auch als Filmkritiker tätig und hatte wohl Vorstellungen ...

Die Filmrechte lagen auch bei ihm, nicht beim Verlag. Ich habe als Erster angefragt, aber binnen kürzester Zeit meldete sich die halbe deutsche Filmbranche an. Willmann war irgendwie sehr pingelig und wollte sich aussuchen, wer das macht. Ich habe ihm „In 3 Tagen bist du tot 2“ geschickt, der hat ja auch leichte Schneewestern-Anflüge. Der hat ihm sehr gut gefallen, aber dann ging es noch lang um die Frage, ob er sich beteiligt.

Am Drehbuch?

Genau. Aber das habe ich von vornherein abgelehnt und auch gesagt: Er ist zu nahe dran, man muss andere Wege finden. Am 21.Dezember 2011 hat er per Anruf zugesagt – mein schönstes Weihnachtsgeschenk! Er hat sich danach auch komplett herausgehalten, nur das Set besucht. Übrigens immer zu Szenen, die sich weit vom Buch entfernen. Aber für ihn war nicht entscheidend, den Roman 1:1 abzubilden. Das ist ja das Problem vieler Literaturverfilmungen. Man muss zur Essenz gehen und die übersetzen. Also haben wir einiges geändert: Sam Rileys Figur ist zum Beispiel im Buch Maler, im Film Fotograf...

Das ist auch die filmischere Idee.

Stimmt, leider von meinem Ko-Autor Martin Ambrosch und nicht von mir! Wir haben dem Film auch die Erzählperspektive einer Frau gegeben: Ich wollte eine weibliche Perspektive auf die harte Männergeschichte.

Es wird Tirolerisch geredet. Wie urtümlich darf das bei einem Großfilm sein?

Die Sprache war von Anfang an ein Thema, es ist ja eine austrodeutsche Ko-Produktion, aber der Österreich-Anteil ist 51%. Wir einigten uns auf ein „mildes“ Tirolerisch, das alle sprechen. Es gab Diskussionen über das eine oder andere Wort, aber ich wollte nichts nachsynchronisieren: In einem Film, in dem so wenig geredet wird, kann ein falscher Ton die ganze Szene kaputt machen. Wichtig ist, dass er so ins Kino kommt. Aber wenn etwa das ZDF dann für die TV-Ausstrahlung Teile synchronisieren will, dann schluck ich die Krot – die haben ja bezahlt. Ein paar Sätze synchronisieren, damit es Millionen im TV sehen: Das ist Teil des Geschäfts.

Hat sich Ihr Emmy schon ausgewirkt?

Das ist eine schöne Anerkennung, aber ich verbinde damit keine großen Sehnsüchte oder Hoffnungen. Es schadet sicher nicht, aber es ist noch zu früh für eine Einschätzung, da müssen Sie mich in einem Jahr nochmals fragen. Internationale Optionen sind interessant, aber Österreich ist für mich noch lange nicht filmisch abgefrühstückt!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2014)

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