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Depeche Mode in Wien: Gefangen in der Routine

Depeche-Mode-Frontmann Dave Gahan begeistert die Massen.
Depeche-Mode-Frontmann Dave Gahan begeistert die Massen.(c) APA (Herbert P. Oczeret)
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Die Elektropioniere boten am Samstag in der Wiener Stadthalle eine perfekt einstudierte Nostalgie-Show. Weniger Perfektion wäre gut gewesen.

Kurz nach 21 Uhr eröffnen Depeche Mode mit "Welcome to my World" ihr rund zwei Stunden dauerndes Wien-Konzert. Die britischen Elektronikpioniere waren zwar schon im März 2013 im Wiener Museumsquartier, damals aber nur für ein zehn Songs umfassendes Stelldichein anlässlich der Präsentation des neuen Albums "Delta Machine" (zur Album-Kritik). Die Stimme von Frontmann Dave Gahan braucht am Samstagabend aber einige Liedzeilen, ehe sie warm wird. "Leave your tranquilizers at home, you don't need them anymore", singt Gahan, kann dieses Versprechen zu Beginn aber nicht ganz einlösen. Zwar führt der Song auf dem Album ideal in die Welt von Depeche Mode ein, als Starter für ein Konzert eignet er sich aber nur bedingt. Da sehnt man sich "Higher Love", den Opener der "Devotional Tour" (1993) herbei.

Natürlich ist die Stimmung dennoch gut. Es ist ein Depeche-Mode-Konzert. Nostalgie spielt da eine wichtige Rolle. Mit "Angel" folgt ein weiterer Song, der die Massen nicht sonderlich bewegt. Erst mit "Walking in My Shoes" kommt erstmals so richtig Mitsinglaune auf. Kurz darauf schlägt das Herz alteingesessener Fans höher. Die Band rund um Dave Gahan, Martin Gore und Andrew Fletcher feiert unter eifriger Beihilfe des Publikums die 1980er-Perle "Black Celebration". Dem daran anschließenden vielleicht besten und vielfältigsten Song des neuen Albums "Should be Higher" ("Your lies are more attractive than the truth, love is all I want") fehlt in der Tour-Version im Vergleich zum Letterman-Auftritt im Vorjahr leider die Kraft. Damals schmeichelte sich der Song richtiggehend ins Ohr.

Gore als Stimmungskiller

Als Stimmungskiller erweist sich diesmal der seit mittlerweile Jahrzehnten übliche Acoustic-Gesangsteil (diesmal: "Slow", "Blue Dress") von Cheftexter Martin Gore. Viele Konzertbesucher nutzen diesen Part für eine Toilettenpause oder als willkommene Gelegenheit zum Biernachschub. Hier sollte sich die Band mal überlegen, ob sich der Bruch mit Traditionen nicht doch empfehlen würde. Nostalgie hin oder her. Auch die darauffolgende von Gahan gesungene bluesartige Ballade "Heaven" verstärkt dieses Gefühl eher noch.

Dave Gahan.
Dave Gahan.(c) APA (Herbert P. Oczeret)

Erst der Klassiker "Behind the Wheel" bringt wieder Schwung. Es ist nur der Auftakt für das folgende Hitfeuerwerk, das "A Pain That I'm Used to", "A Question of Time", "Enjoy the Silence" und "Personal Jesus" umfasst. Danach muss die in Rage gerate Masse erst einmal Zugabe fordern, ehe die letzten fünf Songs präsentiert werden.

Platz für echte Gefühle?

Und erneut verwundert die Songauswahl, denn wieder wird es ruhig. Martin Gore bietet eine Acoustic-Version von "But Not Tonight" dar, die freilich in der Tat von gewaltig rührselig-melancholischer Wirkung ist und das Publikum auch nach dem Ende den Song weiter intonieren lässt, sodass Gahan die Wiener weiter animiert.

Es ist einer der wenigen Momente, in denen die Band von ihrer sonst so strikt einstudierten Tourroutine (wenig Variation, starre Setlists) abweicht - so wirkt es zumindest auf den ersten Blick. Wer sich Youtube-Videos vergangener Auftritte ansieht, wird aber rasch feststellen, dass auch das fixer Bestandteil der Show ist (siehe Austin, Texas, am 13. Oktober 2013). Eine Überraschung: "Halo", ein Geheimtipp des "Violator"-Albums (1990), wird in einer Remix-Version dargeboten. Ungewöhnlich für eine Zugabe, in der normal ja oft nur die besten Stückln gespielt werden.

Die dann natürlich auch folgen. "Just Can't Get Enough" hat mittlerweile mehr als 30 Jahre auf dem Buckel und macht immer noch Spaß, "I Feel You" lässt Gahans selbstzerstörerische Phase, die ihm fast das Leben gekostet hätte, wieder aufleben. Und letztlich schwenken die Arme hemmungslos von links nach rechts und wieder zurück, denn "Never Let Me Down Again" lässt keinen kalt. Wie schon bei "Enjoy the Silence" bräuchte Gahan gar nicht mehr zum Mikrofon greifen, die tanzenden und klatschenden Leute vor der Bühne kennen jede Textzeile auswendig: "We're flying high, we're watching the world pass us by, never want to come down, never want to put my feet back down on the ground."

Eigentlich fein. Aber spätestens wenn dich der Ordner der Wiener Stadthalle keine fünf Minuten später unfreundlich hinter das Absperrband bittet, ist dieses Gefühl schnell wieder verflogen.

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