"Disneyfizierung": Dänen verteidigen Giraffen-Tötung

Giraffe Marius wurde im Kopenhagener Zoo 18 Monate alt.
Giraffe Marius wurde im Kopenhagener Zoo 18 Monate alt.(c) APA/EPA/Keld navntoft
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Giraffenkalb "Marius" wurde - obwohl gesund - getötet und an Löwen verfüttert. Eine Vorgehensweise, die auch im Tiergarten Schönbrunn möglich ist.

Nach dem empörten Aufschrei über die Tötung der kerngesunden Giraffe Marius im Kopenhagener Zoo gehen die Befürworter der Aktion in die Offensive. Viele Dänen rechtfertigten am Montag den tödlichen Bolzenschuss wegen Inzuchtgefahr und warfen den Kritikern Heuchelei vor.

Der Journalist Kristian Madsen von der Zeitung "Politiken" etwa stellte auf Twitter die ironische Frage: "Was glauben die eigentlich, was Löwen an einem Tag ohne solch einen Leckerbissen wie Marius fressen? Kohlsprossen?"

Das eineinhalb Jahre alte Giraffenkalb war Sonntagfrüh getötet worden, weil der Zoo nach eigenen Angaben keine Alternative dazu sah. Mitarbeiter des Zoos erhielten daraufhin sogar Morddrohungen. Der Tierpark gehört zur Europäischen Zoo- und Aquarienvereinigung (EAZA), für die ein strenges Zuchtprogramm für Giraffen gilt, das nur Paarungen zwischen nicht miteinander verwandten Giraffen erlaubt. Damit soll die genetische Vielfalt der Population erhalten bleiben. Marius fand den Angaben zufolge in keinem der rund 300 EAZA-Zoos Aufnahme, weil dortige Giraffen ähnliches Genmaterial aufwiesen.

Auch in Schönbrunn möglich

Die Tötung und öffentliche Verfütterung eines gesunden Giraffenkalbs wäre laut Thomas Voracek, Fachtierarzt im Tiergarten Schönbrunn, auch im Tiergarten Schönbrunn in Wien möglich. Wie der Kopenhagener Zoo ist auch der Tiergarten Schönbrunn Mitglied in der Europäischen Zoo- und Aquarienvereinigung.

Würde in Schönbrunn ebenfalls ein Giraffenbaby geboren werden, das aufgrund von Inzuchtgefahr nirgendwo Aufnahme fände, könnte es zu einer ähnlichen Vorgehensweise wie in Kopenhagen kommen. Auch die Verfütterung eines Zootieres an andere Zootiere sei erlaubt, betonte Voracek. Er sehe die öffentliche Verfütterung von Marius an Raubtiere im Kopenhagener Zoo daher "emotionslos".

Die Priorität der Giraffe

Dass tausende Dänen eine Online-Petition für Marius' Rettung unterzeichneten und sich ein Milliardär gar bereit erklärte, das Tier zu kaufen und in seinem Privatpark zu beherbergen, stieß in sozialen Online-Medien vor allem auf Unverständnis. "Wie können sich die Menschen so über eine Giraffe ereifern, obwohl es Krebskrankheiten, den Krieg in Syrien und die (zuwanderungsfeindliche) Dänische Volkspartei nach wie vor gibt?", fragte die Projektkoordinatorin Dorte Dejbjerg Arens auf Twitter. Andere Beobachter stießen ins gleiche Horn.

Peter Sanddoe, Professor für Bioethik an der Universität Kopenhagen, spottete über die "Disneyfizierung" niedlich wirkender Tiere in Zoos. Diese würden "als eine Art Bürger betrachtet, die auf Augenhöhe mit ihren menschlichen Genossen behandelt werden sollten". Dänemark sei aber eine traditionelle Agrarnation und die Tierschutzbewegung längst nicht so stark ausgeprägt wie in Großbritannien oder den USA - weshalb die anfängliche Empörung nun eben ins Gegenteil umgeschlagen und die Befürworter der Tötung in der Mehrzahl seien.

(APA)

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