EU-Außenministerrat: Kurz warnt vor Eskalation in Bosnien

Bosnien, Kurz, Außenministerrat
Bosnien, Kurz, Außenministerrat(c) REUTERS (DADO RUVIC)
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Sebastian Kurz malt vor Amtskollegen düsteres Szenario an die Wand: Bosniens soziale Proteste könnten in ethno-religiöse Konflikte umschlagen.

Wien/Brüssel. Vorgesehen war das Thema nicht auf der Tagesordnung des EU-Rates. Österreichs Außenminister, Sebastian Kurz, sprach die gegenwärtige Bosnien-Krise dennoch im Kreis seiner europäischen Amtskollegen an. Dabei wählte er eindringliche Worte. Die sozialen Proteste könnten jederzeit in ethnische oder religiöse Konflikte umschlagen, warnte Kurz.

Seit Tagen gehen in Bosnien und Herzegowina tausende Menschen auf die Straße. Sie protestieren gegen die Wirtschaftsmisere, Korruption und Vetternwirtschaft und ihre politische Führung.

Kurz nahm insbesondere die Politiker zwischen Sarajewo und Banja Luka in die Pflicht: „Das ist ein Weckruf, allen voran für die politische Klasse in Bosnien und Herzegowina. Sie müssen den Stillstand im Land überwinden und den europäischen Reformprozess vorantreiben“, erklärte der österreichische Außenminister nach Ende der Sitzung in Brüssel gegenüber der „Presse“.

Kurz griff mit seiner Wortmeldung eine weitverbreitete Stimmung in der EU auf. Die Geduld mit Bosnien und Herzegowina neigt sich dem Ende zu. Seit 20 Jahren schüttet die Union Geld in das ehemalige Bürgerkriegsland. Doch serbische, kroatische und bosniakische Politiker sind heillos zerstritten und lähmen die Institutionen.

Justizreformen gefordert

Konkret fordert Kurz einen entschlosseneren Kampf gegen die Korruption, eine Justizreform und eine Änderung der Verfassung. Dabei geht es vor allem um die Umsetzung eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die nach wie vor aussteht. Laut bosnischer Verfassung setzt sich das höchste Gremium des Gesamtstaates, das bosnische Staatspräsidium, aus je einem Vertreter der Bosniaken, der Serben und der Kroaten zusammen. Auch andere Funktionen werden zwischen diesen drei Volksgruppen paritätisch aufgeteilt. Deshalb klagten der Vertreter der jüdischen Gemeinschaft, Jakup Finci, und der Roma, Devo Sejdić. Der Gerichtshof in Straßburg gab ihnen recht. Dass dieses Urteil nicht umgesetzt worden ist, behindert Bosniens Weg in die EU.

Auch am Montag wurde in zahlreichen Städten des Landes demonstriert. Im Unterschied zu vergangener Woche blieben die Proteste friedlich. Österreich wird demnächst 130 zusätzliche Bundesheersoldaten nach Bosnien entsenden. Durch die jetzige Krise fühlt sich die Bundesregierung in dieser Entscheidung bestätigt. Zuletzt hatten es in der EU immer wieder Stimmen gegeben, die das militärische Engagement in Bosnien infrage stellten. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2014)

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