Sotschi: Erst die Spiele, dann die Spieler

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Soll im Gebiet Sotschi nach den Olympischen Spielen ein russisches Las Vegas entstehen? Putin sagt noch Nein. Aber vieles spricht dafür. Die österreichische Novomatic möchte ganz vorn mitspielen.

Sotschi/Wien. Gorki Village liegt derart anmutig an den Hängen des mächtigen Kaukasus, dass die Russen eine Zufahrt über Serpentinen erst gar nicht gebaut haben. Wer die Hoteloase, die während der Olympischen Spiele als Medienzentrum dient, erreichen will, muss die Seilbahn nehmen. Dass er dann von Golf-Carts abgeholt und zum Hotel gebracht wird, ist nicht das Einzige, was an Las Vegas erinnert. Auch die Architektur der sieben Hotels im „Bergchen-Dorf“, wie Gorki Village auf Deutsch heißt, deutet darauf hin, dass hier künftig andere Spiele, und zwar solche an Tischen und Automaten, stattfinden könnten.

Die Vermutung, dass hier ein russisches Las Vegas entstehen könnte, sei berechtigt, sagt ein Hotelmanager in Sotschi zur „Presse“: „Tatsächlich gab es diese Idee auch.“ Die fensterlosen Erdgeschoße garantierten jedenfalls Diskretion fürs Gambling.

Keine Störung von Olympia

Kreml-Chef Wladimir Putin hat zwar dieser Tage der Idee eine Absage erteilt, indem er meinte, dass sich rund um eine solche Zone „ein spezifisches Publikum“ in einem anderen Preissegment ansammle, was Sotschi des Status eines Familienurlaubsgebietes für Menschen mit mittlerem Einkommen berauben würde. Aber dass der mächtige Präsident das Thema Glücksspiel ganz vom Tisch gewischt hat, will keiner so recht glauben. Vielmehr kursiert die Einschätzung, dass Putin nach der monatelangen negativen Berichterstattung die nun gut laufenden Olympischen Spiele nicht gleich wieder durch Diskussionen über Glücksspiel gestört haben will.

„Eine Zone für das Glücksspiel ist das Einzige, was Sinn hätte“, erklärt auch ein Manager von Russlands größter und staatlicher Bank, Sberbank. Sie hat Gorki Village finanziert und gebaut. Putin hat 2009 den von illegalem Wildwuchs geprägten russischen Glücksspielsektor neu geregelt und verfügt, dass nur noch in vier Zonen fernab von Großstädten (Wladiwostok, Kaliningrad, Rostow und Krasnodar) gezockt werden dürfe. Sotschi gehört zum Gebiet Krasnodar und könnte leicht in den Status der Sonderzone erhoben werden.

Wenn es dazu kommt, wollen die Österreicher, allen voran die Novomatic, ganz vorn mitspielen. Die Casinos Austria (Casag) haben sogar in Person ihres Chefs, Karl Stoss, der auch Präsident des Olympiakomitees (ÖOC) ist, in Sotschi Heimvorteil. Zudem hat Stoss schon vor Jahren, als die Casag die Regierung bei der Umstrukturierung des Glücksspielmarktes berieten, Interesse gezeigt. In der Teilrepublik Baschkortostan besitzt die Casag-Tochter Lotterien über ihre Gesellschaft Ural Loto eine Lottolizenz. Das Zusammentreffen von Stoss mit Putin im Österreicherhaus hat auch jetzt das optimale Entree abgegeben. Allein, dem Konzern fehlt das Geld. Gescheiterte Auslandsengagments, zuletzt in Argentinien, kosteten Millionen.

Eine volle Kriegskassa hat hingegen die Novomatic. Sie musste sich 2009 aus dem Glücksspielgeschäft in Russland zurückziehen, betreibt aber ein Spieleentwicklungszentrum in St. Petersburg. Jetzt schielt die Novomatic durchaus hoffnungsfroh Richtung Sotschi: „Sollte die Regierung Teile des Olympia-Geländes im Rahmen einer der vier Sonderzonen für ein Resortcasino widmen, werden wir selbstverständlich unser Interesse an einem Engagement in geeigneter Form deponieren“, sagt Novomatic-Boss Franz Wohlfahrt zur „Presse“. Für gute Kontakte in den Osten dürfte Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer sorgen, der Aufsichtsrat in einer deutschen Novomatic-Tochter ist.

Klare Konzepte fehlen

Geduld ist gefordert. Denn auch der für Sotschi hauptzuständige Vizepremier Dmitri Kozak meinte kürzlich, dass das Thema zwar nicht abgehakt sei, es aber „kaum zielführend ist, heute auf Grundlage der pessimistischen Prognosen über den Mangel an Touristen über die Gründung eines Glücksspielzentrums zu entscheiden“. Frühestens in zwei Jahren könne man darüber reden. Aber auch was bis dahin geschehen soll, wisse keiner, erklären zwei westliche Hotelmanager in Sotschi. Vor allem für den Sommer und die Übergangszeit gebe es keine Konzepte. Die Paralympics, der G8-Gipfel und die Formel 1 sowie ein Spiel der Fußball-WM 2018 seien nur punktuelle Lösungen. Ob sich die Bauten allein durch Tourismus wirtschaftlich rechnen können, sei erst zu beweisen: „Ich glaube, dass alle Investoren hier in der Gegend gern einen Casinocluster hätten.“

Bereits im Dezember hat ein Bankenvertreter auf einer Sitzung mit Premierminister Dmitri Medwedjew die Nachnutzung als Glücksspiel-Eldorado vorgeschlagen. Dass Medwedjew selbst die Idee hatte, wurde später von seiner Pressesprecherin dementiert: Geschäftsleute hätten ihm die Idee in den Mund gelegt, um ihr mehr Gewicht zu verleihen. Zuvor hatte schon der Chef des russischen Unternehmerverbandes, Alexandr Schochin, entsprechend lobbyiert.

Zocken in der Illegalität

Die Nachfrage nach Glücksspielzentren in Russland ist jedenfalls groß. Nach der Schließung der Casinos setzten viele ihre Tätigkeit illegal fort. 2012 und 2013 wurden allein in Moskau 1100 illegale Casinos geschlossen, erklärte am Mittwoch der stellvertretende Vorsitzende des Duma-Informationsausschusses Leonid Levin. Heute würde immer öfter unter dem Aushängeschild von Sportbars, Wettbüros und Internetklubs gespielt. Das Gesetz funktioniere nicht, sagt auch ein führendes Mitglied von Putins Partei, Einiges Russland: Die Casinobesitzer seien schwer zu finden, alle seien im Ausland registriert, Mitarbeiter würden ständig ausgetauscht. Hinter den fensterlosen Erdgeschoßen in den Hotels von Gorki Village wären sie gut versteckt.

AUF EINEN BLICK

Was passiert mit Sotschi nach den Olympischen Spielen? Eine Idee ist, in dem Hotelareal im Gorki Village ein Glücksspielzentrum einzurichten. Noch sagt Präsident Putin Nein, allerdings glauben Hoteliers und Banker, dass ein Spielbankenzentrum Sinn hätte und Putin nur während der Spiele eine kritische Diskussion vermeiden möchte. Die Novomatic zeigt jedenfalls schon großes Interesse am russischen Las Vegas. Auch Casinos Austria möchten mitspielen, ihnen fehlt aber das Geld.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2014)

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