Angestellte müssen Chef im Krankenstand zur Verfügung stehen

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In dringenden Fällen müssen Angestellte im Krankenstand für Auskünfte zur Verfügung stehen, urteilt der OGH. Die Genesung darf dadurch aber nicht beeinträchtigt werden.

Wer im Krankenstand ist, ist krank, heißt es eigentlich im Arbeitsleben. Nicht, wenn der Chef wichtige Infos braucht. Dann darf er Mitarbeiter auch für ein Meeting hereinzitieren oder anrufen. Der OGH hat festgehalten, dass Arbeitgeber ihrer Firma in bestimmten Fällen selbst während des Krankenstands für Auskünfte zur Verfügung stehen müssen. Die Genesung darf freilich nicht beeinträchtigt werden.

Anlassfall war eine Anwalts-Sekretärin, die während ihres Krankenstands von ihrem Arbeitgeber entlassen wurde. Die Frau hatte längere Zeit Probleme mit ihrem Chef gehabt, fühlte sich von ihm massiv kritisiert und unter Druck gesetzt. Depressive Episoden und Schlafstörungen waren die Folge, schließlich fiel sie wegen Burn-outs mehrere Monate aus.

20-minütiges Gespräch

Während des Krankenstands forderte der Chef die Frau auf, für ein 20-minütiges Gespräch am Arbeitsplatz zu erscheinen, da mehrere dringende Angelegenheiten besprochen werden müssten. Die Arbeitnehmerin ließ ihn wissen, dass sie momentan nicht in der Lage sei, einen gemeinsamen Termin wahrzunehmen. Sobald es ihr Gesundheitszustand zulasse, werde sie sich zwecks Terminvereinbarung melden. Weiteren Aufforderungen kam die Klägerin nicht nach, bis sie schließlich entlassen wurde. Der Arbeitgeber sah eine Verletzung der Treuepflicht.

Die Sekretärin zog dagegen vor Gericht. Vorm Erstgericht obsiegte sie, es erachtete die Forderungen des Anwalts als schikanös. Das Berufungsgericht jedoch gab dem Beklagten recht, bejahte seinen Anspruch auf Kontaktaufnahme im Krankenstand.

Genesung darf nicht beeinträchtigt werden

Der Oberste Gerichtshof schließlich bestätigte diesen Anspruch (9 ObA 115/13x), sah aber die Entlassung in dem Fall als ungerechtfertigt an. Die Höchstrichter stellten fest, dass Arbeitnehmer ihrer Firma fallweise selbst während des Krankenstands für Auskünfte zur Verfügung stehen müssen. Es geht dabei um "unbedingt erforderliche Informationen, deren Vorenthaltung zu einem wirtschaftlichen Schaden des Arbeitgebers führen würde, in einem Ausmaß - etwa telefonisch -, das ihren Genesungsprozess nicht beeinträchtigt", wie der OGH ausführt. An Arbeitnehmer in "gehobener Position" seien dabei strengere Anforderungen zu stellen.

Der Arbeitgeber wiederum muss laut OGH schon konkretisieren, was er will und sagen, welche Informationen er genau braucht, warum er diese nicht anderweitig beschaffen kann und inwieweit ihm ein schwerer wirtschaftlicher Schaden entstehen könnte.

Der beklagte Anwalt hat das nicht getan; der Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit war daher nicht gegeben. Zumal der Sekretärin jeglicher persönlicher Kontakt mit dem männlichen Rechtsanwaltspartner, von dem sie sich schikaniert fühlte, aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar gewesen sei, wie der OGH ausführt.

Der Jurist Jakob Leinsmer von der Kanzlei Eversheds rät Arbeitnehmern trotzdem, im Zweifel auch im Krankenstand bei einem Anruf des Chefs abzuheben und Briefe bzw. E-Mails aus der Firma zu öffnen.

(APA)

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