AK kritisiert OGH-Urteil zu Erreichbarkeit im Krankenstand

Arztvisite
Arztvisitewww.BilderBox.com
  • Drucken

Der steirische AK-Präsident spricht im Zusammenhang mit dem Urteil von "Teilkrankenstand".

Ein Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) zum Thema der Erreichbarkeit von Arbeitnehmern im Krankenstand stößt bei Arbeiterkammer und Gewerkschaft auf Kritik. "Der OGH stößt hier die Tür zum Teilkrankenstand auf", kritisierte der steirische AK-Präsident Josef Pesserl die höchstgerichtliche Entscheidung. "Gesetze sollen die Regierung und das Parlament machen, aber nicht die Gerichte."

Für Pesserl ist die Entscheidung auch deshalb unverständlich, weil hier keine Rechtslücke bestanden habe, die geschlossen werden hätte müssen: "Die einzige Verpflichtung bisher war, dass man im Krankenstand alles tun muss, um gesund zu werden." Dieses jahrzehntelange Prinzip sei nun durchbrochen worden: "Entweder ist jemand arbeitsfähig oder nicht. Darüber kann nur ein Arzt entscheiden." Pesserl fordert, dass das Urteil durch den Gesetzgeber repariert wird.

"Unbedingt erforderliche Informationen"

Die Gewerkschaft pocht auf eine Klarstellung: "Wer immer dieses Urteil als Freibrief dafür versteht, ArbeitnehmerInnen im Krankenstand zu kontaktieren, der hat es offensichtlich falsch verstanden", kommentiert Wolfgang Katzian, Vorsitzender der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp), in einer Aussendung. "Wer krank ist, muss natürlich nicht für den Chef ständig erreichbar sein, wie das einige vorschnelle Reaktionen auf ein aktuelles OGH-Urteil interpretieren." Davon sei im Spruch der Höchstrichter auch nicht die Rede: Der OGH vertrete die Meinung, dass Arbeitnehmer erreichbar sein müssen, wenn es um unbedingt erforderliche Informationen geht, deren Vorenthaltung zu einem wirtschaftlichen Schaden des Arbeitgebers führen würde, in einem Ausmaß - etwa telefonisch - das ihren Genesungsprozess nicht beeinträchtige. Davon seien nur sehr wenige Arbeitnehmer in gehobenen Positionen betroffen.

Katzian setzt auf die Verantwortung der Arbeitgeber, Arbeitnehmer im Krankenstand nicht unnötig zu kontaktieren. Vor allem in größeren Unternehmen sei die Frage der generellen Erreichbarkeit ohnehin durch Betriebsvereinbarungen geklärt. "In diesem Sinne sind auch die zahlreichen rechtlichen Empfehlungen, im Zweifelsfall das Handy abzuheben, wenn der Chef anruft, beziehungsweise seine Mails zu beantworten, hinfällig. Dienstliche Telefonate im Krankenstand werden daher weiterhin die Ausnahme bleiben, so Katzian. Für rechtlichen Rat stünde die GPA-djp zur Verfügung.

Die Klägerin ist Anwaltssekretärin, die ab 1974 (mit vier Jahren Unterbrechung) bei dem Arbeitgeber beschäftigt war. Im Februar 2010 wurde sie entlassen. Nach einem fast halbjährigen Krankenstand wegen eines Burn-out-Syndroms, Belastungsstörungen, Depressionen und Asthma war sie von ihrem Arbeitgeber schriftlich zu einem persönlichen Gespräch aufgefordert worden, sie hatte dies verweigert. Mit ihrer Klage gegen die Entlassung bekam sie vom OGH recht.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Österreich

Kranke müssen Mails lesen

Arbeitsrecht. Beschäftigte müssen im Krankenstand verfügbar sein, wenn ihre Chefs dringende Auskünfte benötigen, so der OGH.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.