Viel Geld für neue Freunde und ihre Daten

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Mark Zuckerberg kauft den Nachrichtendienst WhatsApp um 19 Mrd. Dollar - und erhält dafür Anschluss an die Jungen und Nichtamerikaner sowie die Perfektion seiner Datenmaschine.

Wien. Die Meldung war keine zehn Minuten alt, da war das Internet schon voll mit hämischen Kommentaren. Die 19 Mrd. US-Dollar (13,9 Mrd. Euro), die Facebook-Gründer Mark Zuckerberg für den Nachrichtendienst WhatsApp zahlen will, erschienen vielen doch zu viel. Immerhin bekommt ein fünf Jahre altes Start-up mit 50 Mitarbeitern eine Summe, mit der es die komplette Kreditfinanzierung der Weltbank für ein Jahr übernehmen könnte. Und hierzulande, wo derzeit alles in der Währung Hypo gerechnet wird, hätte Zuckerberg damit die marode Staatsbank locker retten können. Warum gibt er so viel Geld aus für eine einfache Smartphone-App, die im Grunde nur das gute, alte SMS ersetzt?

SMS-Killer für Junge, Asiaten

Die Technik ist es nicht. Facebooks eigene Messenger-App wird längst von hunderten Millionen genutzt, um Texte und Bilder zu senden.

Die Gründe, die dieses Geschäft zu einem guten machen (können), liegen woanders.

Nummer eins: 19 Mrd. Dollar klingt zwar astronomisch, ist aber gar nicht so viel, wie man meinen könnte, da Facebook nur vier Milliarden bar bezahlt. Zudem wurde das Online-Netzwerk selbst vor wenigen Jahren, beim Einstieg von Microsoft, noch mit 15 Mrd. Dollar bewertet. Heute liegt der Wert beim Zehnfachen. Geht die Wette auf, macht sich das schnell bezahlt.

Nummer zwei: Facebook kauft um 19 Mrd. Dollar Anschluss an die Jungen. Seit 2011 haben über drei Millionen US-Teenager Facebook den Rücken gekehrt. Kaum tauchen die Eltern im virtuellen Freundeskreis auf, ist die beliebte Zielgruppe weg – heute trifft man sich lieber bei WhatsApp. Bei Facebook sind hingegen dreimal so viele ältere Semester als Teenager unterwegs.

Nummer drei: Facebook kauft Wachstum außerhalb der USA. Den US-Markt hat Facebook nahezu gesättigt. In Europa und Asien gibt es hingegen viel Luft nach oben. Auch diese Lücke füllt WhatsApp genau. Der Großteil der 450 Millionen Nutzer sitzt außerhalb der USA – 35 Millionen nur in Indien. Wie stark die Aussicht auf rasantes Wachstum in Europa und Asien wiegt, zeigt der Übernahmeversuch einer anderen Messaging-App. Facebook wollte mit Snapchat einen Dienst kaufen, der bei US-Jugendlichen beliebter ist als WhatsApp – und bot dafür bloß drei Mrd. Dollar. Der Deal platzte. Für WhatsApp waren 19 Mrd. Dollar gerade gut genug.

Nummer vier: Facebook sichert sich mit dem Kauf des am schnellsten wachsenden Konkurrenten die Vormachtstellung bei Mobile-Messaging. Seit April legt der Dienst pro Monat um 25 Millionen Nutzer zu.

„Keine Werbung, keine Spiele“

Die große Frage ist aber: Wie will Mark Zuckerberg daraus Geld machen? Dass er mit Werbung am Smartphone gut verdienen kann, hat er gezeigt. Aber genau das soll ihm bei WhatsApp verwehrt bleiben. „Keine Werbung, keine Spiele, keine Gimmicks“, steht angeblich immer noch auf einem Spickzettel über dem Schreibtisch von WhatsApp-Mitgründer Brian Acton. Als einzig bekannte Erlösquelle war bisher eine Jahresgebühr von einem Dollar angedacht. Das soll auch so bleiben. „Was sich für die Nutzer ändern wird: nichts“, beruhigt die Firma in einem Blogeintrag.

So dürfte Grund Nummer fünf letztlich entscheidend für Facebook gewesen sein: Der datenhungrige Konzern kauft einen Gleichgesinnten. WhatsApp fiel, ähnlich wie Facebook, durch sehr lockeren Umgang mit Nutzerdaten auf. Selbst wenn Zuckerberg hier keine Werbung schalten darf, kann er nun doch auf Telefonbücher und Daten von 450 Millionen Menschen zurückgreifen und sein Angebot für den Werbemarkt perfektionieren. Denn längst geht es im Geschäft mit den Daten nicht darum, nur Profile mit Daten zu verknüpfen. Echtzeit ist entscheidend. Je aktueller Werber wissen, wer sich wo für was interessiert, desto mehr bezahlen sie dafür. Hier kommt WhatsApp ins Spiel. Denn anders als bei Facebook ist der Griff zu WhatsApp für eine Million Nutzer tägliche Routine.

WhatsApp ist also mehr als nur ein vielversprechendes Start-up. Natürlich, 19 Milliarden Dollar sind trotzdem viel Geld. Aber wer weiß, wenn man wie Mark Zuckerberg eine Firma führt, die selbst 173 Mrd. Dollar wert sein soll und fürchtet, sein Kerngeschäft an Mobile-Messaging zu verlieren, zahlt man selbst diesen Preis vielleicht noch gern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2014)

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