Weil ein geplanter Neubau die historische Sichtachse auf den Stephansdom gefährdet, formiert sich in der Josefstadt Widerstand.
Wien. Es ist ein auffälliger Bau an prominenter Adresse, den fast jeder Wiener vom Vorbeifahren kennt: der sogenannte Glaspalast in der Rathausstraße 1, der fast 35 Jahre lang das Rechenzentrum der Stadt Wien beherbergt hat. Dieses Gebäude an der Grenze zwischen erstem und achtem Bezirk soll einem Neubau weichen, der schon jetzt in der Planungsphase für einigen Widerstand sorgt.
Vor allem deshalb, weil das geplante neue Gebäude um etwa viereinhalb Meter weiter Richtung Fahrbahn rücken würde als der Glaspalast und daher die Sichtachse von der Josefstädter Straße auf den Stephansdom nicht mehr gegeben wäre. Das regt in der Josefstadt nicht nur Bezirksvorsteherin Veronika Mickel (ÖVP) auf, die von einer „Verschandelung einer historischen Situation“ spricht. Auch die anderen Fraktionen im Achten sind gegen das Projekt, zahlreiche Bürger sind alarmiert. Mickel hat eine Petition („Rettet den Steffl-Blick“) gestartet, um die Causa auch in den Petitionsausschuss des Gemeinderates zu bringen.
Die Bezirksvorsteherin stößt sich aber auch daran, dass an dem Standort, an dem bis zu ihrer Absiedlung in den 22. Bezirk die MA14 (Datenverarbeitung) untergebracht war, weitere Geschäfte einziehen sollen. „Da redet die Stadt immer von der Förderung der Einkaufsstraßen, und dann setzt sie der Lerchenfelder und der Josefstädter Straße Konkurrenz vor die Tür.“
Bei der Wiener Stadtentwicklung Gmbh (WSE), einer Tochter der Wien Holding, die das Projekt im Auftrag der Stadt Wien abwickelt, versteht man die Aufregung nicht. Es stimme zwar, dass das Siegerprojekt (u.a. des Wiener Büros Schuberth und Schuberth) sich nicht an die derzeitige Bauflucht halte und der Blick auf den Stephansdom verstellt wäre. „Wir ignorieren dieses Thema aber nicht“, sagt ein Sprecher. In den Detailplanungen, die derzeit laufen, sei das sehr wohl Thema, zudem sei man mit den Kritikern in Kontakt.
Skeptisch zeigt sich auch der renommierte Architekt des Glaspalastes, Harry Glück. Als er 1980 mit dem Bau beauftragt wurde, „war es eine Vorgabe der Stadt, dass die Blickachse erhalten bleibt“, sagt Glück. Dass die Architekten nun dieses „stadthistorische Element, eine Maxime des 19.Jahrhunderts“ nicht beachtet haben, will er nicht kommentieren. Hätte Glück den Neubau geplant, „hätte ich die Sichtachse wohl eingehalten“.
Bezirkschefin Mickel kritisiert auch die Kosten (30 bis 40 Mio. Euro) des Neubaus. Eine Adaptierung des alten Gebäudes sei wesentlich günstiger. „Ein Rechenzentrum hat andere Anforderungen als ein Bürogebäude“, sagt dazu die WSE. „Die Räume sind zu niedrig, die Lichtverhältnisse zu schlecht.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2014)