Steuervermeidung: Das Milliardenkarussell von Zara

Zara Wien
Zara WienClemens Fabry
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Die Zara-Mutter Inditex ist dank rasantem Wachstum der größte Textilkonzern der Welt. Inditex ist zudem höchst profitabel – nicht zuletzt dank einer Steuer-Spar-Konstruktion.

Wien. "Die internationale Steuerarchitektur ist komplett veraltet. Multinationale Unternehmen können ihre Steuerkosten durch das Ausnützen vorhandener Lücken daher substanziell reduzieren." Mit diesen Worten kommentierte ein OECD-Experte im Vorjahr einen Bericht der Organisation, in dem auf legale länderübergreifende Steuer-Spar-Konstruktionen hingewiesen wurde. Da diese Konstruktionen jedoch sehr komplex und somit schwer zu beschreiben sind, fand das Thema in der Öffentlichkeit bisher nur geringen Widerhall.

Die Nachrichtenagentur Bloomberg schaute sich deshalb an einem konkreten Beispiel an, wie sich so eine Steuer-Spar-Konstruktion in der Realität auswirkt und fand dabei heraus, dass der spanische Textilkonzern Inditex (Zara, Pull&Bear, Massimo Dutti, Bershka) seit dem Jahr 2009 etwa 240 Mio. Euro an Steuern vermieden hat. Der Nettogewinn von Inditex stieg dadurch um drei Prozent. Möglich wurde dies, indem große Teile der in Frankreich, Italien, Großbritannien und Deutschland erwirtschafteten Gewinne an eine kleine Tochterfirma in Holland und in weiterer Folge an deren Dependance in der Schweiz weiterverrechnet worden sind.

Inditex und seine mit Abstand wichtigste Tochter Zara sind die Wachstumskaiser des Textilhandels: Im Jahr 2005 erzielte der Konzern noch einen jährlichen Umsatz von „nur" 5,6 Mrd. Euro - acht Jahre später war es mit 16,5 Mrd. Euro bereits dreimal so viel. Im Schnitt eröffnet das Unternehmen pro Tag ein neues Geschäft und kommt inzwischen auf etwa 6200 Shops in 86 Ländern. Noch kräftiger steigerte sich allerdings der Gewinn des Unternehmens - von einst 638 Mio. Euro (2005) auf die stattliche Summe von 2,4 Mrd. Euro im Geschäftsjahr 2013.

3,1 Mio. Gewinn pro Mitarbeiter

Wirklich interessant ist allerdings erst der Blick auf die Gewinnzahlen der einzelnen Töchter von Inditex. So verzeichnete eine kleine holländische Tochterfirma mit lediglich 173 Mitarbeitern in den vergangenen fünf Jahren Gewinne im Ausmaß von zwei Mrd. Euro. Im abgelaufenen Geschäftsjahr war der Gewinn des holländischen Unternehmens sogar größer als jener der Vertriebstöchter in Italien, Frankreich, Deutschland und Großbritannien in den vergangenen fünf Jahren. Die Firma erzielte pro Mitarbeiter einen Gewinn von 3,1 Mio. Euro und eine Gewinnmarge (bezogen auf den Umsatz) von 45 Prozent womit sie siebenmal profitabler als Apple wäre.
Doch wozu gibt es diese holländische Tochter und woher stammen diese hohen Umsätze, die in weiterer Folge zu Gewinnen wurden? In der Tochter sind die Markenrechte von Zara sowie das Know-How für die Einrichtung der Geschäfte sowie die Gestaltung der Schaufenster gebündelt, das den operativen Vertriebstöchtern zur Verfügung gestellt wird, heißt es bei Inditex. Und dafür müssten diese wiederum Gebühren an die Holländer überweisen.

Die Höhe dieser internen Gebühren wird von Inditex naturgemäß selbst festgesetzt und kann von außen auch nicht nachvollzogen werden. Der Effekt ist jedoch, dass die Gewinnmargen der Töchter in den großen europäischen Märkten auf lediglich drei bis fünf Prozent fallen, während der Konzern in Summe eine Gewinnmarge von knapp 15 Prozent verzeichnet (und die holländische Tochter wie oben erwähnt 45 Prozent).
Der entscheidende Punkt kommt allerdings erst nach der Gewinnermittlung in den einzelnen Töchtern. Denn die Besteuerung dieser Gewinne erfolgt nach den nationalen Regeln des jeweiligen Landes. Und dabei zahlt Inditex für Gewinne der holländischen Tochter eine effektive Steuerrate von 16 Prozent - und somit deutlich weniger als die Steuersätze in Italien (27,5 Prozent) oder Frankreich (33,3 Prozent) ausmachen. Diese niedrige Steuerrate liegt aber auch unter dem offiziellen holländischen Steuersatz, was erst dadurch möglich wird, da die Holländer ihre Gewinne mit einer Schweizer Dependance im Kanton Freiburg teilen. Und dieser Kanton gewährt ausländischen Unternehmen eine mehrjährige Steuerbefreiung, wenn sie eine Firma gründen. Ob es eine solche Steuerbefreiung für die in die Schweiz verlagerten Gewinne gibt, wird von Inditex jedoch nicht offen gelegt.

Inditex: 4,1 Mrd. Steuerleistung?

Von dem spanischen Unternehmen wird die Vermutung, es sei eine Steuer-Spar-Konstruktion gebaut worden, zurückgewiesen. Eine Gegenüberstellung der ausgewiesenen Gewinne nationaler Töchter und der von ihnen an die holländische Firma gezahlten Gebühren (letztere sind etwa im Fall Italiens höher) sei unkorrekt, da hierbei die „spezifischen Funktionen" der einzelnen Töchter innerhalb des Konzerns missachtet würden. So würde es ohne die holländische Tochter Zara Italien gar nicht geben, da Zara Italien dann ja keinen Zugang zu den Markenrechten hätte.

Zudem verweist man bei Inditex auf die Gewinnsteuern von 764 Mio. Euro, die im Vorjahr gezahlt wurden. Inklusive Umsatzsteuer, Zöllen und Grundsteuern habe die wirtschaftliche Aktivität von Inditex sogar eine Steuersumme von 4,1 Mrd. Euro generiert. Und auch die Zahl der Jobs sei durch das Wachstum zwischen 2007 und 2013 um 50.000 auf nunmehr 120.000 gestiegen.
Von Kritikern wie zuletzt auch der OECD wird das Verhalten von Inditex (und anderer Firmen wie etwa Nokia, Starbucks oder Apple) dennoch als Problem gesehen. So würde dadurch nicht nur die Steuerleistung gesenkt sondern auch der Wettbewerb verzerrt werden. Kleinere Firmen, die sich das internationale Verschieben der Gewinne nicht leisten könnten, hätten somit einen gravierenden Wettbewerbsnachteil. Sie fordern daher multilaterale Abkommen, die die vorhandenen Steuer-Schlupflöcher schließen. Die G20 haben im Vorjahr deshalb einen Aktionsplan beschlossen, mit dem diese Forderung in den kommenden Jahren umgesetzt werden soll. (jaz/Bloomberg)

Auf einen Blick

Die spanische Inditex (unter anderem Zara, Pull & Bear, Massimo Dutti) ist dank rasanten Wachstums der größte Textilkonzern der Welt. 2013 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von 16,5 Mrd. Euro und einen Gewinn von 2,4 Mrd. Euro. Fast 20 Prozent dieses Gewinns werden jedoch bereits bei einer kleinen holländischen Tochterfirma ausgewiesen. Diese Firma erhält Gebühren von den Vertriebstöchtern in den großen europäischen Märkten für die Nutzung der Markenrechte und das Know-how zur Einrichtung der Geschäfte. Dadurch sinkt die Gewinnmarge in den großen Ländern auf drei bis fünf Prozent, während sie bei der Tochter 45 Prozent beträgt. Gleichzeitig liegt aber auch die Steuerrate bei den Holländern mit 16 Prozent deutlich unter jener in den großen Ländern. Laut Berechnungen von Bloomberg hat Inditex seit 2009 so 240 Mio. Euro an Steuern vermieden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2014)

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