Harte Verhandlungen zwischen IWF und Ukraine kündigen sich an

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Der IWF hat in den letzten Jahren eine Menge Erfahrungen bei der Kreditvergabe an das Land sammeln können. Die Erfolgsbilanz der Ukraine ist mäßig.

Seit 2008 hat der IWF zwei Mal Kreditprogramme der Ukraine eingefroren, nachdem sich die damaligen Regierungen gegen die zuvor vereinbarten Auflagen gesträubt hatten. Als Versuche fehlschlugen, die Gespräche wiederzubeleben, folgerte die in Washington ansässige Organisation im Dezember, dass solche Summen nicht mehr Ländern zufließen sollten, die sich nicht auf wirtschaftliche Redormen einlassen wollen.

Unpopuläre Maßnahmen notwendig

Der ukrainische Interim-Regierungschef Arseni Jazenjuk steht nun vor der Herausforderung, die IWF-Vertreter - die sich an seinen Vorgängern die Finger verbrannt haben - von seinen guten Absichten zu überzeugen. Er muss glaubhaft vermitteln, dass vor den Präsidentschaftswahlen im Mai auch unpopuläre Maßnahmen umgesetzt werden, etwa die Erhöhung der Gaspreise. Von seinem Erfolg hängen die Hilfen der USA und der Europäischen Union ab, die mit einem vom IWF gebilligten Hilfspaket verknüpft sind. Die Regierung ersucht in einem ersten Schritt um 15 Mrd. Dollar, um die Finanzlage nach den blutigsten Unruhen seit dem Zweiten Weltkrieg wieder zu stabilisieren.

Für den IWF werden "die von der Ukraine gelernten Lektionen auf jedes zukünftige Programm in der Ukraine angewandt werden", sagt Douglas Rediker, der die USA von 2010 bis 2012 im IWF-Exekutivdirektorium vertrat. "Die Regierung muss an das Programm glauben" und "beweisen, dass sie versteht, was für den Erfolg des Programms nötig ist - indem sie es tatsächlich umsetzt."

IWF will vor Ort prüfen

Die Beratungen über das Hilfspaket finden vor dem Hintergrund zunehmender Spannungen in dem Land statt. Der gestürzte Präsident Viktor Janukowitsch - der Jazenjuk-Vorgänger - betrachtet sich nicht als abgesetzt, und kündigte den Plan an, in die Ukraine zurückzukehren.
Bei einer kompletten Invasion der Ukraine drohen Ausfälle bei den Erdgaslieferungen aus Russland an andere europäische Nationen sowie eine weitere Destabilisierung in dem Land, das sich bereits am Rande eines Zahlungsausfalls befindet und erst in der letzten Woche eine neue Regierung gewählt hat. Die geschäftsführende Direktorin des IWF, Christine Lagarde, hatte letzte Woche angekündigt, schon in den nächsten Tagen ein Team in die Ukraine zu schicken, um sich vor Ort ein Bild von der Finanzlage zu machen.

Die Ukraine sei bereit, die Wünsche des IWF zu erfüllen, versicherte Jazenjuk. "Ich werde wahrscheinlich der unbeliebteste Ministerpräsident der Geschichte sein", hatte Jazenjuk letzte Woche gesagt, bevor ihn das Parlament zum Regierungschef wählte. Er hatte auf die Notwendigkeit von Kürzung bei Subventionen und Sozialleistungen verwiesen und seinen Job eine "politische Kamikaze‘‘-Mission genannt. ‘‘Aber'', sagte er, ‘‘wir werden alles in unserer Macht stehende tun, um einen Zahlungsausfall zu verhindern.'' Solche Versprechen kennt der IWF schon von früher.

Zwei gescheiterte Kredite

Bei Krediten, die 1994 vereinbart wurden, ‘‘setzte der IWF in der Regel zwei Auszahlungen pro Quartal an'', sagt Anders Aslund, Senior Fellow am Peterson Institute for International Economics in Washington. Der Währungsfonds habe diese aber ‘‘eingestellt, als sich die ukrainische Regierung weigerte, die IWF-Auflagen zu erfüllen''. Seiner Einschätzung nach werden die Verhandlungen daher ‘‘hart werden und sehr strikte vorausgehende Handlungen fordern'', bevor eine Unterstützung angeboten werde.

Im Gegenzug für eine 16,4 Mrd. Dollar schweren Kreditlinie im November 2008, als Julia Timoschenko an der Macht war, sagte die Ukraine zu, die Landeswährung freizugeben und den Haushalt auszugleichen - teilweise durch höhere Energiepreise. Nach einem Jahr fror der IWF das Programm ein und hob es letztlich auf.
Im Juli 2010 - dann unter Janukowitsch - wurde das Programm durch ein 15,2-Mrd.-Dollar-Paket ersetzt, das ähnliche Auflagen wie der Vorgängerkredit hatte. Im Folgejahr wurden die Auszahlungen dann erneut auf Eis gelegt, da sich das Land nicht an die Bedingungen für die Hilfen gehalten hatte.

Auch USA und EU stellen Hilfen in Aussicht

Dem schwindenden Vertrauen des Währungsfonds verlieh im vergangenen Jahr Reza Moghadam, Chef der Europa-Abteilung beim IWF, Ausdruck. Die Gespräche ‘‘würden nur dann zum Erfolg führen, wenn wir einen gewissen Grad an Ernsthaftigkeit sehen können'', was den Umgang mit den Herausforderungen bei dem Land angehe.
Nach drei Monaten Aufstand, die zum Sturz von Janukowitsch geführt hatten, drängen Vertreter aus Europa und den USA auf schnelle Hilfen für das Land. US-Außenminister John Kerry will eine Milliarde Dollar an Kreditgarantien zur Verfügung stellen, und die Europäische Union denkt nach Aussage von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier über eine ähnliche Summe nach.

Die beiden Diplomaten wollen auch Russland ins Boot holen, das einen 15 Mrd. Dollar schweren Hilfskredit nach der Flucht von Janukowitsch eingefroren hatte.
Weil die ukrainische Zentralbank die Kopplung der Landeswährung an den Dollar bereits aufgegeben hat, wird es bei den Verhandlungen nun um die zwei anderen Auflagen des IWF gehen: ein geringeres Haushaltsdefizit und höhere Gaspreise, sagte Aslund vom Peterson Institute. Dennoch ist Andrew Weiss, ein ehemaliger Direktor für russische, ukrainische und eurasische Angelegenheiten im Stab des Nationalen Sicherheitsrates vom Weißen Haus, skeptisch, dass die Auflagen des IWF tatsächlich umgesetzt werden.

Die notwendigen Maßnahmen ‘‘wären ebenso schlecht für die Bevölkerung der Ukraine, die schmerzliche Maßnahmen schultern müsste, wie auch für das politische Schicksal derer, die Ende Mai als Präsidentschaftskandidat ins Rennen ziehen'', sagte Weiss, der nun Vize-Präsident bei Carnegie Endowment for International Peace in Washington ist, einer Denkfabrik für Friedensforschung, ‘‘all das erscheint mir ziemlich unwahrscheinlich.''

(Bloomberg)

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